in den ORF Regionalradios, 5.40 bis 6.15 Uhr Uhr
Die folgenden Beiträge wurden für die ORF Sendung "Morgengedanken" erstellt
- Sonntag, 7. Dezember 2003
- Montag, 8. Dezember 2003
- Dienstag, 9. Dezember 2003
- Mittwoch, 10. Dezember 2003
- Donnerstag, 11. Dezember 2003
- Freitag, 12. Dezember 2003
- Samstag, 13. Dezember 2003
Viele Menschen zünden heute an ihrem Adventkranz die zweite Kerze an, machen eine kleine Adventfeier oder genießen die vorweihnachtliche Stimmung.
Bei solch einer Feier werden Erinnerungen wach. Erinnerungen an die eigene Kindheit und an die Spannung, dass endlich das Christkind kommt. Advent hat mit Erwartung, hat mit Ankunft zu tun. Der Begriff Advent ist aber auch mit dem englischen Wort "adventure" verwandt, zu Deutsch Abenteuer. Wir Christen bereiten uns auf die Ankunft des Herren vor und es ist jedes Jahr aufs Neue ein Abenteuer, dessen Ausgang ungewiß ist. Schaffen wir es diesmal, uns nicht der Hektik unterwerfen zu lassen? Gelingt es uns, die Botschaft von Weihnachten zu begreifen?
Vor vielen Jahren war ich in der Woche nach Weihnachten in Barcelona. Anders als bei uns war dort das Weihnachtsgeschäft noch im Gange. Am heiligen Abend feiert man mit der Familie zu Hause und man geht in der Nacht gemeinsam in die Christmette. Die Geschenke werden aber erst zu Dreikönig übergeben. Der Grund dafür ist die biblische Erzählung, dass die drei Weisen an die Krippe gekommen sind und Christus Geschenke dargebracht haben. Mir gefällt diese Art zu feiern, da sie das Weihnachtsgeschehen stärker in den Mittelpunkt stellt.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich ganz auf das Abenteuer Advent einlassen können.
Montag, 8. Dezember 2003
Heute wird in der Katholischen Kirche Maria Empfängnis begangen. An diesem Tag wird daran gedacht, dass Maria ohne Erbsünde empfangen wurde. Früher war dieser Tag ein besonderer Frauenfeiertag, an dem die Frauen nicht arbeiten durften.
In dieser Woche wird der internationale Tag der Menschenrechte begangen. Wenn ich heute an den Artikel 2 der Menschenrechtserklärung denke, so steht darin, dass niemand aufgrund seiner Rasse, seiner Hautfarbe, seines Geschlechtes oder sonstiger Umstände diskriminiert werden darf.
In Lateinamerika habe ich immer wieder erlebt, dass Frauen vom Zugang zu Bildung ausgeschlossen werden. Während die Eltern arbeiten gehen, müssen Mädchen mit sechs oder sieben Jahren bereits auf ihre noch kleineren Geschwister aufpassen. Trotz Schulpflicht werden oft nur die Buben in die Schule geschickt, weil die Eltern glauben, dass sich die Erziehung bei den Mädchen nicht auszahlt. Es ist nur logisch, dass wesentlich weniger Frauen Schreiben und Lesen können, als Männer.
Trotz dieser Tatsachen erlebe ich immer wieder, dass die Frauen die starken Persönlichkeiten der lateinamerikanischen Gesellschaft sind: Sie halten die Familien zusammen und sie tragen wesentlich zur Verbesserung der Lebenssituation in ihren Umfeld bei.
Dienstag, 9. Dezember 2003
Im Artikel 5 der Menschenrechtserklärung steht, dass niemand der Folter oder grausamer und unmenschlicher Strafe unterworfen werden darf. Bei meinem diesjährigen Besuch in Guatemala berichteten meine Gesprächspartner immer wieder von Folter. Folter, der tausende Menschen vor zwei Jahrzehnten in der Zeit der Militärdiktatur ausgesetzt waren. Es wurde uns aber auch erzählt, dass im Vorfeld der Wahlen vom 9. November mehrere Dutzend Kandidaten für politische Ämter entführt, gefoltert und verschleppt worden sind, manche wurden sogar umgebracht. Der Menschenrechtsombudsmann erzählte uns von einem Kandidaten für die Gemeindevertretung, der entführt und grausam gefoltert wurde. Er wurde bewußtlos aufgefunden, seine Hände waren ihm auf den Rücken gebunden.
Wenn bei uns über unser politisches System geschimpft wird, denk ich immer wieder an Lateinamerika und die Bedingungen, unter denen Menschen dort politisch tätig sind. Politisch sein heißt dort immer auch, ein großes persönliches Risiko einzugehen, oft wird der Einsatz für mehr Gerechtigkeit dann auch mit dem Leben bezahlt.
Mittwoch, 10. Dezember 2003
Heute vor 55 Jahren haben die Vereinten Nationen in Paris die allgemeine Erklärung der Menschenrechte beschlossen. Die damals 56 Mitgliedstaaten standen noch unter dem Schock vom Zweiten Weltkrieg. Damit Ereignisse wie der Holocaust und der nationalsozialistische Rassenwahn nie wieder passieren, wurde diese Menschenrechtserklärung verabschiedet. Sie umfaßt 30 kurze Artikel, in denen die Rechte aller Menschen skizziert werden. Im Artikel 1 wird festgehalten, dass alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind.
Bis heute gibt es Staaten, die die Menschenrechtserklärung noch nicht unterzeichnet haben. Es gibt aber noch mehr Staaten, die sie unterzeichnet haben und trotzdem gegen die Menschenrechte verstoßen. Die Menschenrechts- organisation amnesty international listet in ihrem letzten Jahresbericht 151 Staaten auf, die im Jahr 2002 schwere Menschenrechtsverletzungen begangen haben. Auch Österreich gehört dazu. In unserer Heimat werden vor allem der Umgang mit Asylanten und die Abschiebepraxis kritisiert. Denken wir daran, wenn wir das nächste Mal etwas über Menschenrechtsverletzungen in anderen Teilen der Welt hören. Auch Österreich hat noch ein großes Stück des Weges vor sich.
Donnerstag, 11. Dezember 2003
Der Artikel 10 der Menschenrechtserklärung hält fest, dass jeder Mensch den Anspruch auf ein unabhängiges Gerichtsverfahren hat. Das bedeutet, dass die Gerichte unabhängig und unparteiisch auf der Basis der Verfassung zu entscheiden haben.
Ich habe bei meiner Reise durch Guatemala vor wenigen Wochen den jungen Rechtsanwalt Fernando Lopez kennen gelernt. Er bereitet mit Kollegen die Anklage gegen den ehemaligen Putschistengeneral Efrain Rios Montt vor, dem sie den Völkermord an tausenden Indios Anfang der 80'er Jahre vorwerfen. Er erzählte mir, dass die Gerichte sich in diesem Fall nicht zuständig fühlen und das Verfahren von einem Gericht zum nächsten geschoben wird. Er erhält Morddrohungen, weil er sich in diesem Fall engagiert. Seit kurzer Zeit wird er rund um die Uhr von internationalen Menschenrechtsbeobachtern begleitet und amnesty international hat sich seines Falles angenommen. Amnesty sammelt weltweit Unterstützungs-er-klärungen, die Fernando Lopez schützen sollen.
Ich werde bescheiden, wenn ich das Engagement für Menschenrechte in Lateinamerika sehe und dann mit der Situation bei uns vergleiche. Dort werden Menschen für ihr Engagement für andere verfolgt, bei uns fällt es oft schon schwer, ein wenig mehr Zivilcourage zu zeigen!
(75 Sekunden)
Freitag, 12. Dezember 2003
Auf vielen Reisen nach Zentralamerika mußte ich erleben, dass der soziale Zusammenhalt, den wir von Österreich kennen, nicht selbstverständlich ist. Im Artikel 21 der Menschenrechtserklärung wird festgehalten, dass jeder Mensch das Recht auf Arbeit hat und das Recht, zum Schutz seiner Interessen Berufsvereinigungen und Gewerkschaften zu bilden und ihnen beizutreten.
In Lateinamerika erlebe ich immer wieder, dass dieses Recht nicht beachtet wird. Gewerkschaftskollegen in Guatemala erzählten mir vor kurzem, dass es für sie immer schwieriger wird, sich gewerkschaftlich zu organisieren. In vielen Privatunternehmen und in den Betrieben, die in der Zollfreizone produzieren, ist es fast unmöglich, Betriebsräte zu bilden. Sobald sich ein paar Arbeiter gewerkschaftlich zusammenschließen, werden sie ohne Angabe von weiteren Gründen entlassen. Wenn sie gegen diese Entscheidung beim Arbeitsgericht ankämpfen, ziehen sie oft den Kürzeren: zu oft werden die Richter und die Arbeitsinspektoren bestochen.
Wenn ich die Erzählungen dieser Kollegen höre, bin ich dankbar, dass wir in einem Rechtsstaat leben. Auch wenn es bei uns immer wieder Probleme gibt, auf die grundlegenden Mechanismen können wir uns doch verlassen.
(65 Sekunden)
Samstag, 13. Dezember 2003
Morgen feiern wir den dritten Adventsonntag. In vielen Pfarren wird an diesem Sonntag für die Aktion "Bruder und Schwester in Not - Sei so frei" gesammelt. Mit dem Geld werden Entwicklungshilfeprojekte in der ganzen Welt unterstützt, die vor allem die Lebenssituation der Menschen verbessern.
Bei meinen Reisen durch Lateinamerika besuche ich immer wieder Projekte, die mit Geldern aus der kirchlichen und staatlichen Entwicklungszusammenarbeit aus Österreich finanziert werden. Sie sind in der Regel eine Hilfe zur Selbsthilfe. Viele Projekte verbessern die Wasserversorgung. Damit erhalten die Menschen plötzlich sauberes Wasser und sie können gesünder leben. Erwachsene Menschen lernen Lesen und Schreiben und sie werden in Kursen über ihre Rechte aufgeklärt. Es wird ihnen aber auch Rechtsbeistand gewährt, wenn sie sich für ihre Rechte einsetzen und um das kämpfen, was ihnen von Gesetz und aufgrund der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zusteht.
Die Spende, die wir bei uns für Entwicklungszusammenarbeit geben, trägt somit zu mehr Gerechtigkeit in anderen Teilen der Welt bei.
Ich wünsche ihnen noch eine schöne, vorweihnachtliche Zeit, in der auch die Solidarität mit Menschen in anderen Teilen der Welt nicht zu kurz kommt!