- Gesprächsabend zum ökumenischen Sozialwort in der Stadtpfarre zum Hl. Blut in Graz / Statement gehalten am Donnerstag, 12. Februar 2004, 19.30 Uhr
Sehr geehrte Damen und Herren,
Zuerst einmal möchte ich mich sehr herzlich für die Einladung zu diesem Gesprächsabend bedanken. Wir sind vor einiger Zeit zusammen gesessen und haben uns überlegt, wie wir die Idee in die Praxis umsetzen können, dass Kirche nicht für sich selbst lebt, sondern eine Verantwortung für die Gesellschaft hat und wie wir davon ausgehend zum Gespräch bzw. zur Diskussion anregen können. Sehr bald war uns klar, , dass wir uns in Gesprächsabenden wie dem heutigen den Kapiteln des ökumenischen Sozialwortes widmen sollten. Dieses ist der erste Abend, an dem wir uns mit dem Kapitel 8 des Sozialwortes befassen, in dem es um die "Zukunftsfähigkeit - Verantwortung in der Schöpfung" geht.
Bevor ich auf die Frage eingehe, was dies für die Kirche bedeutet, möchte ich ein paar Worte zum ökumenischen Sozialwort sagen. Es geht auf eine Anregung vom Delegiertentag zum Dialog für Österreich zurück. Damals haben in Salzburg die Delegierten mit überwiegender Mehrheit gefordert, dass die katholische Kirche gemeinsam mit den anderen christlichen Kirchen ein ökumenisches Sozialwort initiieren soll. Nach einigen Überlegungen, wie dies funktionieren könnte, wurde die Katholische Sozialakademie Österreichs damit beauftragt, einen Prozeß zu entwerfen und diesen Prozeß auch zu begleiten. Dieser Prozeß ist in drei Phasen abgelaufen. In der ersten Phase der Standortbestimmung wurden Personen und Einrichtungen, die im kirchlichen Bereich sozial tätigen sind, dazu aufgefordert, ihre Sicht der sozialen Situation in Österreich darzustellen und niederzuschreiben. Dies erfolgt im Sinn einer Multimomentaufnahme, bei der 522 Rückmeldungen von kirchlichen Einrichtungen in ganz Österreich an das Redaktionsbüro des Sozialwortes geliefert wurden. Diese Rückmeldungen wurden ohne Wertung hinsichtlich des Einsenders und seiner fachlichen Kompetenz in einem Sozialbericht zusammengefaßt. Dieser Bericht ist eine Zusammenfassung, in der zum Teil auch sehr widersprüchliche Aussagen über die verschiedensten Themen unredigiert und unkommentiert Platz haben. Dieser Sozialbericht war Ausgang für zwei weitere Aktivitäten: die Diskussion der Themen in der Öffentlichkeit und das Sozialwort, das von einem Redaktionsteam aus dem Sozialbericht und den Diskussionen erstellt wurde.
Dieses Sozialwort liegt nun vor. Es wurde von allen vierzehn im ökumenischen Rat der christlichen Kirchen vertretenen Religionsgemeinschaften gemeinsam verabschiedet und ist in dieser Form einzigartig.
Es gliedert sich in die folgenden Kapitel:
Kap. 0: Die christlichen Kirchen in gemeinsamer VerantwortungKap. 1: Bildung: Orientierung und BeteiligungKap. 2: Medien: Bewußtsein und ÖffentlichkeitKap. 3: Lebensverbindungen: Beziehungsfähigkeit und sozialer ZusammenhaltKap. 4: Lebensräume: Wandel und Gestaltung mit den Teilbereichen Ländlicher Raum, Stadt, Europa und RegionenKap. 5: Arbeit - Wirtschaft - Soziale Sicherheit mit diesen drei Teilbereichen Kap. 6: Frieden in Gerechtigkeit Kap. 7: Gerechtigkeit weltweitKap. 8: Zukunftsfähigkeit: Verantwortung in der SchöpfungKap. 9: Vom Sozialwort zu sozialen TatenJedem Kapitel vorangestellt ist eine Bibelstelle aus dem Alten und dem Neuen Testament, dann kommt eine Behandlung des Themas aus der Sicht der Kirchen und die Formulierung von Aufgaben. Die Aufgaben sind zum einen an die Kirchen selbst gerichtet und haben eine Form der Selbstverpflichtungserklärung und zum anderen sind sie als Aufgaben für die Gesellschaft artikuliert.
Was sagt nun das Sozialwort zum Thema Zukunftsfähigkeit?
Es geht zuerst einmal von dem Prinzip der Schöpfungsverantwortung aus, d.h. der Aufgabe, die Schöpfung Gottes zu bewahren. Dann führt es den weltweiten Konsum als Ursache für die Schädigung der Lebensgrundlagen an und artikuliert, dass dafür großteils die Industrieländer, also wir verantwortlich sind.
Als nächstes wird die Nachhaltigkeit als Prinzip kurz erläutert, wobei zwei Aspekte betont werden: Der Einsatz für gerechte Lebensbedingungen auf der einen Seite und ein schonender Umgang mit der Natur auf der anderen Seite. Wie wir später noch sehen werden fehlt in dieser Definition die dritte Dimension der Nachhaltigkeit, nämlich der ökonomische Aspekt.
Das Sozialwort fordert Lebensqualität statt Quantität, es erläutert eine zukunftsfähige Politik und definiert Unternehmen als wichtige Akteure. Die Verantwortung der Konsumenten wird eingefordert und es werden in wenigen Zeilen Ansätze der Kirche erläutert, die vom Einsatz erneuerbarer Energie bis hin zu ökologischer Landwirtschaft in klösterlichen Gemeinschaften und der bewußten Feier des 1. Septembers als Tag der Schöpfungsverantwortung gehen.
Im Bereich der Selbstverpflichtung der Kirchen führt das Sozialwort folgende Punkte an:
- Die Kirchen wollen eine Spiritualität der Schöpfung pflegen und sie in Gebeten und Liturgien verankern.
- Das Thema Schöpfungsverantwortung soll fester Bestandteil in Religionsunterricht und Bildungsarbeit der Kirchen werden.
- Die Kirchen stellen bezahlte Arbeitszeit für Umweltarbeit zur Verfügung. Durch die Veröffentlichung von Energiebilanzen wollen sie sich und der Gesellschaft Rechenschaft geben.
- Kirchliche Gemeinden, Gemeinschaften und Betriebe achten auf Nachhaltigkeit in ihrer Einkaufspolitik und in der Energienutzung.
- Die Kirchen kooperieren mit anderen Einrichtungen im Umweltbereich und fördern zukunftsweisende Initiativen.
- Die christlichen Kirchen in Österreich wollen in ihrer Missionsarbeit den Einsatz ihrer Partnerkirchen für Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit in aller Welt aktiv unterstützen.
Bei den Aufgaben für die Gesellschaft wiederum wird gefordert:
- Die Kirchen treten dafür ein, dass das Prinzip Nachhaltigkeit in Handlungsstrategien und Entscheidungsprozessen von nationalen Regierungen und internationalen Organisationen verankert wird.
- Die Kirchen fordern, dass multilaterale Menschenrechts- und Umweltabkommen gegenüber Handelsabkommen aufgewertet werden.
- Die Kirchen appellieren an die österreichische Bundesregierung, sich innerhalb der EU dafür einzusetzen, dass in einem dynamischen Wirtschaftsraum Europa auch weiterhin hohe ökologische und soziale Standards gelten.
- Die Kirchen fordern Unternehmen, vor allem wenn sie international tätig sind, dazu auf, sich durch klare Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtskriterien zu einem verantwortungsvollen Verhalten zu verpflichten.
- Die Kirchen wenden sich an alle gesellschaftlichen Gruppierungen und die Medien, in der öffentlichen Diskussion legitime kurzfristige Einzelinteressen nicht gegen zukunftsorientierte Konzepte auszuspielen.
Soweit zur Zukunftsfähigkeit im Sozialwort der christlichen Kirchen Österreichs.
"Sustainability"
Was bedeutet nun aber der Begriff "sustainability", der im Deutschen mit Nachhaltigkeit bzw. Zukunftsfähigkeit übersetzt wird? Ich möchte dazu die Definition des Brundtland-Berichtes "Our common future - Unsere gemeinsame Zukunft" heranziehen. Sie sagt: "sustainable development is a development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs" oder zu Deutsch
"Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der gegenwärtigen Generation deckt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Genera-tio-nen einzuschränken, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen". Die Brundtland-Definition baut auf den drei Säulen Umwelt, Wirtschaft und Soziales auf und wenn wir davon sprechen, dass etwas nachhaltig ist, dann muß es bestimmte Kriterien in allen drei Bereichen erfüllen, d.h. es muß ökologisch sein, wirtschaftlich und sozial verträglich.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, was jeder von uns tun kann, um einen nachhaltigeren Lebensstil zu pflegen und was vor allem auch die Kirchen tun können, um das Konzept der Nachhaltigkeit zu fördern.
Meiner Überzeugung nach hat Nachhaltigkeit sehr viel mit der persönlichen Entscheidung und dem eigenen Konsumverhalten zu tun. Im Hinblick auf das eigenen Konsumverhalten möchte ich die zehn wichtigsten Schritte für ein nachhaltiges Leben erläutern, die Dan Jakubowicz in seinem Buch "Genuss und Nachhaltigkeit" für ein nachhaltiges Leben anführt:
- Weniger Fleisch essen: Zuviel Fleisch ist einerseits ungesund, andererseits trägt es aufgrund des Energieaufwandes zur Produktion fleischlicher Kalorien zum Hunger in der Welt bei.
- Wärme dämmen: Heizen kostet in unseren Breiten sehr viel Energie und trägt damit massiv zum Treibhauseffekt bei. Wärme dämmen und der Umstieg auf nachhaltige Rohstoffe trägt zu einer Entschärfung der Situation bei.
- Bewusst kaufen: Durch die Kaufentscheidung für energieeffiziente Produkte, langlebige und klassische Kleidung läßt sich die Umweltbelastung, die jede(r) von uns verursacht, deutlich verringern.
- Nutzen statt besitzen: Es stellt sich die Frage, ob wir alles selbst kaufen müssen. Ökologisch ist es auf jedenfall besser, Produkte, die wir nicht täglich benötigen, nicht zu kaufen sondern ihre Dienstleistung zu nutzen. Das geht von den Ski, die einmal im Jahr verwendet werden, über die Bohrmaschine bis hin zum sogenannten "Auto teilen", wo PKW nicht mehr gekauft sondern gemeinsam genutzt werden.
- Alt aber gut bedeutet, dass Dinge einfach länger verwendet werden sollen, repariert werden sollen oder auch gebrauchte Dinge gekauft werden können, wie dies beispielsweise bei den second-hand-Läden der Fall ist.
- Gut statt viel oder Qualität statt Quantität: Es ist besser, auf weniger und dafür qualitativ hochwertigere Produkte zu bauen. Dies geht beim Essen, bei der Wohnungseinrichtung oder auch bei der Kleidung.
- Mehr Muße: Es macht Sinn, Überstunden und Nebenjobs abzubauen, Stress und Hektik zu meiden. Auch Dinge wie Bildungskarenz, Sabbatical oder Teilzeitkarenz sollten in Erwägung gezogen werden.
- Wohlstand teilen: Solidarität kann beispielsweise auch bedeuten, sein Einkommen zu teilen und ein Prozent des Einkommens monatlich für ein Sozial-, Umwelt- oder Entwicklungshilfeprojekt zu Verfügung zu stellen.
- Abenteuer Alltag: Neues soll erprobt werden, Begegnungen gesucht und die Betrachtungsweise geändert werden.
- Die Welt verändern. Man soll sich informieren und mit anderen vernetzen. Als Konsument, Wähler und Meinungsbildner kann und soll man für ein gerechteres Wirtschaftssystem eintreten.
Soweit die zehn Punkte von Dan Jakubowicz. Ich kann auch auf die Publikation von Hans Holzinger von der Salzburger Robert Jungk-Bibliothek verweisen, die 25 Vorschläge für einen nachhaltigen Lebensstil erläutert.
Wir sind hier in einem kirchlichen Rahmen und ich möchte abschließend noch ein paar Punkte anführen, wo ich glaube, dass die Kirchen die Möglichkeit haben, Vorreiter eines nachhaltigen Lebensstils zu werden:
Nachhaltigkeitsreferenten schulen. Die Katholische Aktion Steiermark hat einen Arbeitskreis Nachhaltigkeit initiiert, der begonnen hat, in den Pfarren Umweltreferenten anzusprechen und in die Richtung Nachhaltigkeit weiterzuarbeiten. Der Aktionsbereich für diese pfarrlichen Umweltreferenten ist groß. Von der umweltfreundlichen Gestaltung von Pfarrfesten über Bildungsveranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit und die Gestaltung des 1. Septembers als Tag der Schöpfungsverantwortung gibt es viele Möglichkeiten. Die Kirchen könnten einen Vorreiterrolle übernehmen, wenn sie pfarrliche Nachhaltigkeitsreferenten oder Agendareferenten ausbilden würden, die das Thema Nachhaltigkeit in die Pfarren bringen.
Vorträge und Workshops veranstalten. Das Katholische Bildungswerk plant gerade eine Vortragsserie zum Thema Nachhaltigkeit. Dabei können Referenten, die zu diesem Thema etwas zu sagen haben, zu Vorträgen in die Pfarren eingeladen werden. Auch auf der Ebene der Steiermark wird zur Zeit über die Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit eine Bildungsplattform aufgebaut.
Einrichtung pfarrlicher Nachhaltigkeitsarbeitskreise. Diese können unterschiedlich ausgerichtet sein und verschiedene Aufgaben haben. Am spannendsten wäre es, den kirchenrechtlich vorgeschriebenen Wirtschaftsrat in einen Nachhaltigkeitsarbeitskreis umzuwandeln und in diesem Gremium auch ökologische und soziale Fragen zu behandeln. Dieser Kreis könnte aber auch etwas tiefer ansetzen, indem der Nachhaltigkeitsarbeitskreis die Pfarre aus der Sicht der Nachhaltigkeit screent und durch konstruktive Vorschläge zu einem nachhaltigeren Arbeitsstil beiträgt. Dabei werden ökologische Fragen ebenso behandelt wie soziale Fragen und das geht dann von der umweltfreundlichen Gestaltung von Pfarrfesten bis hin zur Schaffung von Arbeit in der Pfarre.
Nachhaltige Ausrichtung von Pfarrfesten. Auch Pfarrfeste können nachhaltig ausgerichtet werden. Dies geht von der Überlegung aus, wie beispielsweise in die Versorgung mit Lebensmitteln Bauern, Kaufhäuser oder Wirte der Umgebung eingebunden und damit lokale Wirtschaftstreibende unterstützt werden können. Aber auch die Frage soll gestellt werden, ob es immer Wegwerfgeschirr sein muß oder ob nicht beispielsweise Geschirr samt einer mobilen Geschirr-wasch-station ausgeborgt werden kann, um damit die Umweltbelastung gering zu halten. Beispiele, wie dies funktionieren könnte, sind die Initiative "G'scheit feiern" des Landes Steiermark, die auch in unseren Pfarren umgesetzt werden könnte.
Kirche und Pfarren können aber auch Wegbereiter von nachhaltiger Energienutzung sein. Meines Wissens gibt es in der Steiermark erst wenige Pfarren, die Biomasse einsetzen oder die Solaranlagen auf Pfarrhöfen, Kindergärten oder anderen pfarrlich genutzten Gebäuden einsetzen.
In diesem Sinn schließe ich und hoffe auf eine angeregte Diskussion.
Links
- Katholische Sozialakademie Österreich
- Ökumenisches Sozialwort
- Katholische Aktion Steiermark
- Stadtpfarre zum Hl. Blut in Graz
- Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit des Landes Steiermark