/ Erschienen in Die Furche, 15. Mai 2003; von Michael Schaller

Ökonomie, Ökologie, Soziales: Weltweit gehen immer mehr Firmen dazu über, ihre Unternehmensstrategie auf diese drei Säulen der Nachhaltigkeit abzustellen. - Chancen für ein neues Wirtschaften mit Wert-Hintergrund

Der Begriff Nachhaltigkeit wird durch Annäherungen klarer. Er stammt aus der Forstwirtschaft und bedeutet, dass in einem Jahr nicht mehr Holz geschlägert wird, als nachwächst, dass man von den Erträgen und nicht vom Kapital eines Waldes leben soll. Bedeutung erhielt er durch die Brundtlandt-Kommission, die nachhaltige Entwicklung als eine Entwicklung charakterisiert, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass zukünftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können. Mit der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio (1992) wurde die nachhaltige Entwicklung auf die drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales gestellt.

Mehr als lange Existenz

Nachhaltigkeit wird oft auf eine lange Existenz verkürzt, womit Einrichtungen wie die Kirche(n) per se schon als nachhaltig bezeichnet werden - dieser Erklärungsversuch greift zu kurz.

Stellt man sich der Frage, ob Wirtschaften nachhaltig sein kann, greift man am besten auf die drei Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales zurück, untersucht ihr Zusammenspiel, ihre Ausprägung und ihre gegenseitige Beeinflussung. Auf der strategischen Ebene spricht man seit einiger Zeit von der triple-bottom-line, dies bedeutet, dass die ökonomischen, ökologischen und sozialen Ziele eines Unternehmens aufeinander abgestimmt werden oder anders ausgedrückt, dass ein Unternehmen nur dann dauerhaft existieren kann, wenn es nicht Gewinne auf Kosten der Mitarbeiter und der Umwelt maximiert oder Mitarbeiterorientierung und Umweltorientierung ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation pflegt.

Bewusstseinswandel - global

Somit haben neben wirtschaftlichen Zielen auch andere Ziele Bedeutung. Weltweit haben dies führende Unternehmen bereits begriffen und begonnen, ihr Handeln und ihr Berichtswesen danach auszurichten: börsennotierte Unternehmen publizieren ihre Geschäftsbericht, um die Aktionäre über den Geschäftsverlauf zu informieren; viele Unternehmen veröffentlichen einen Umweltbericht, in dem sie über die ökologischen Auswirkungen ihres Betriebes informieren. Aus den Umwelt- und Geschäftsberichten wurden in der Zwischenzeit Nachhaltigkeitsberichte, die auch über die Zufriedenheit der Mitarbeiter, ausgeglichene Gehaltssysteme, Weiterbildungsmöglichkeiten und das "intellectual capital" informieren.

Aber nicht nur von internen Maßnahmen wird berichtet, sondern auch von Initiativen, die in anderen Ländern gesetzt werden und ein Schritt zu einem fairen Handel sind, wenn beispielsweise ein Produkt aus einem südamerikanischen Land bezogen wird, dort in die Infrastruktur und das Schulwesen investiert wird und langfristige Partnerschaften aufgebaut werden. VW weist z. B. in seinem Umweltbericht "Mobilität und Nachhaltigkeit" darauf hin, dass es als erstes Unternehmen einen Weltkonzernbetriebsrat eingerichtet hat, in dem auch die Arbeitnehmervertreter der nicht-europäischen Betriebe vertreten sind.

Nachhaltigkeitsberichte

Weltweit gibt es immer mehr Unternehmen, die Nachhaltigkeitsberichte erstellen. Unterstützt werden ihre Bemühungen durch die "global-reporting-initiative" und den "Dow Jones Sustainability Index". Bemüht sich die erste Initiative um die Förderung von Nachhaltigkeitsberichten durch Leitlinien und Vorgaben, so betrifft die zweite Initiative börsennotierte Unternehmen, bei denen nachgewiesen wurde, dass sie durch die Konzentration auf ökonomische, ökologische und soziale Ziele deutlich erfolgreicher sind als vergleichbare Unternehmen, die nur wirtschaftliche Ziele verfolgen.

Immer mehr Unternehmen und Wirtschaftsverbände folgen nicht mehr den "alten Gesetzmäßigkeiten", sondern stellen sich auf die neuen Gegebenheiten aktiv ein. Vom Schweizer Industriellen Stephan Schmidheiny gegründet hat sich das World Business Council for Sustainable Development in 38 Ländern mit nationalen Komitees etabliert und bietet seinen Mitgliedern Hilfestellung auf dem Weg zur Nachhaltigkeit an. Aber auch Initiativen wie das responsible care Programm der chemischen Industrie sollen erwähnt werden, weil sie zu mehr Zukunftsfähigkeit beitragen.

Wie läßt sich Nachhaltigkeit auf die Ebene von Produkten und Dienstleistungen herunterbrechen? Ein erster Aspekt ist sicherlich die Frage des Materialbedarfs bzw. der Trend der Dematerialisierung. Darunter versteht man, dass immer weniger Material für die Funktionserfüllung benötigt wird: Autos werden leichter, Verpackungen geringer etc. Aber auch die Produkteigentümerschaft hat mit Nachhaltigkeit zu tun: es gibt bereits Unternehmen, die nicht mehr ihre Produkte, sondern die mit dem Produkt verbundene Dienstleistung verkaufen (z.B. Anzahl der gebohrten Löcher pro Werkzeug statt Verkauf des Bohrwerkzeuges; Wartung einer LKW-Flotte statt Verkaufes der Schmiermittel). Dies hat Auswirkungen auf einen dritten wichtigen Aspekt, die Produktlebensdauer: Produkte können auf eine wesentlich längere Lebensdauer ausgelegt werden. Die Gesamtkostenbelastung ist geringer, ebenso der Ressourcenverbrauch und es wird Arbeit geschaffen - positive Ergebnisse in allen drei Bereichen der Nachhaltigkeit.

Kopernikanische Wende?

Nachhaltigkeit stellt eine Herausforderung für die Wirtschaft und für die Konsumenten dar. Manche Wissenschafter meinen, dass wir vor einer kopernikanischen Wende unseres Wirtschafts- und Lebenssystems stehen - dies läßt sich erst in einigen Jahren rückblickend beurteilen! Wir können aber feststellen, dass durch die Ausrichtung auf das Prinzip Nachhaltigkeit Aspekte an Bedeutung gewinnen, die wir aus der christlichen Soziallehre kennen: Solidarität, Subsidiarität, Mitarbeiterorientierung, soziale Gerechtigkeit für zukünftige Generationen ebenso wie für die Menschen in den Ländern des Südens. Ist nach Jahren des rücksichtslosen Konsums und der Produktion eine neue Zeit angebrochen, die Werten mehr Gewicht gibt? Zu hoffen ist es, auch wenn noch ein großes Stück des Weges zu einer nachhaltigen Wirtschaft vor uns liegt!

 

 

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