- Direktor der Landwirtschaftskammer Steiermark und Biomassepionier

Er war zum Zeitpunkt des Interviews Direktor der Landwirtschaftskammer Steiermark, Präsident des österreichischen Biomasseverbandes und Vizepräsident des Europäischen Biomasseverbandes. Seit Jahren kämpft er dafür, den Umstieg unserer Energiewirtschaft von fossilen Energieträgern auf Biomasse voranzutreiben ....

Dr. Heinz Kopetz ist Direktor der Landwirtschaftskammer Steiermark. Als solcher setzt er sich seit über dreissig Jahren für die Interessen der bäuerlichen Bevölkerung in der Steiermark ein. Seit einigen Jahren gilt sein großes Engagement dem Umstieg auf eine solare Energiewirtschaft, die vor allem auf der Nutzung der Biomasse aufbaut. Er ist Präsident des Österreichischen Biomasseverbandes und Vizepräsident des Europäischen Biomasseverbandes. In dieser Funktion gehört er zu den Pionieren auf europäischer Ebene. Als Organisator der Mitteleuropäischen Biomassekonferenz konnte er Ende Jänner 2005 an die 800 Experten nach Graz bringen. Er ist Autor zahlreicher Bücher zum Themenbereich Biomasse und solare Energiewirtschaft.

Schaller: Der Begriff Nachhaltigkeit stammt aus der Forstwirtschaft und wurde vor 300 Jahren das erste Mal verwendet. Was tut die Landwirtschaftskammer Steiermark im Hinblick auf eine nachhaltige Wirtschaftsordnung?

Kopetz: In erster Linie bemühen wir uns, dass die Böden so bewirtschaftet werden, dass die Fruchtbarke it auf Dauer erhalten bleibt. Darin sehen wir einen wichtigen Beitrag der Landwirtschaft zur nachhaltigen Entwicklung. Und natürlich zählt nach wie vor die forstwirtschaftliche Bewirtschaftung im Sinne einer dauerhaften Bewirtschaftung zu einem wichtigen Arbeitsgebiet, das man dem Bereich Nachhaltigkeit zuordnen kann.

Schaller: Sie sind ja seit Jahren im Bereich erneuerbare Energieträger tätig. Welche Organisatoren sind das?

Kopetz: Neben der Landwirtschaftskammer bin ich vor allem im Österreichischen Biomasseverband und im Europäischen Biomasseverband tätig. Und dort bemühen wir uns, einen Beitrag zu einer dauerhaften Energieversorgung auf der Basis nachwachsender Rohstoffe zu leisten. Diese Arbeit konzentriert sich auf die energetische Nutzung der Biomasse in ihren verschiedensten Formen. Die wichtigste Form der energetischen Nutzung der Biomasse ist die Verwendung von Holz zur Wärmeerzeugung. Hier gibt es mittlerweile eine Reihe von neuen Technologien, die Holz viel effizienter als in früheren Zeiten der Wärmenutzung zuführen. Darüber hinaus gibt es neue Perspektiven, nämlich die Erzeugung von Strom und Wärme aus Holz in großen und in kleinen Anlagen durch die Entwicklung neuer Technologien und natürlich auch die Erzeugung von Treibstoffen aus Biomasse in der Form von Stärke oder Zucker.

Schaller: Was ist im Bereich Holz in Österreich Stand der Technik, welche Technologien gibt es?

Kopetz: Zur Erzeugung von Wärme aus Holz gibt es einerseits den Stückholzofen, der heute in moderner Form als Holzvergaserofen angeboten wird, dann gibt es alle Formen von Hackschnitzelheizungen von kleinen Einheiten bis zu Großanlagen mit 30 bis 40 MW Leistung und seit etwa sieben Jahren die Pelletsheizungen, die sich vor allem im Einfamilienhaus großer Beliebtheit erfreuen.

Schaller: Und im Bereich der moderneren Technologien?

Kopetz: Im Bereich der Vergasung von Holz zu Holzgas gibt es bis jetzt in Österreich eine weltweit beachtete Pilotanlage in Güssing im Burgenland mit einer Leistung von 2 MW und in der Steiermark gibt es eine Reihe von kleinen Anlagen im Versuchsstadium, die aufgrund der Initiative einzelner Pioniere entstanden sind und derzeit ihre ersten Praxiserprobungen machen. Und es wird erwartet, dass in nächster Zeit auch für kleinere Einheiten bis hundert kW Leistung die Holzvergasung zur Anwendung kommen wird.

Schaller: Welche anderen Formen von Biomasse gibt es zur Energieumwandlung in Österreich?

Kopetz: Holz dient vor allem der Wärmeerzeugung und der Stromerzeugung. Eine andere neue Entwicklung ist die Nutzung von Abfällen aus der Tierhaltung - Gülle und Mist - zur Erzeugung von Biogas, das dann ebenfalls zur Erzeugung von Strom und Wärme verwendet wird. Abgesehen von diesen Nebenprodukte aus der Tierhaltung werden in erhöhtem Maß Silomais oder Grünroggen zur Erzeugung von Biogas verwendet.

Eine ganz andere Richtung ist die Erzeugung von flüssigen Rohstoffen für die Energiegewinnung. Hier denke ich vor allem an Pflanzenöle und an Alkohol. Pflanzenöl aus Sonnenblumen, Raps oder Sojaöl kann man teilweise direkt in Motoren einsetzen. Zum Teil in stationären Motoren zur Erzeugung von Strom und Wärme oder man kann diese Öle chemisch umbauen, damit sie die gleichen Eigenschaften wie Diesel haben - sie werden dann als Biodiesel in Dieselfahrzeugen eingesetzt.

Eine ganz andere Entwicklung geht in Richtung Treibstoffersatz bei Benzin. Hier kommt Alkohol in Frage, dazu braucht man große Mengen stärkehältiger Produkte oder zuckerhältige Produkte wie Zuckerrüben, Mais oder Getreide. Hier wird derzeit in Österreich eine Großanlage an der Donau vorbereitet, die möglicherweise schon im nächsten Jahr gebaut wird.

Schaller: Diese Formen der Energiegewinnung oder Energiebereitstellung kann man ja unter dem Begriff einer solaren Energiewirtschaft subsumieren. Welche Perspektiven oder Chancen sehen Sie für Österreich in diesem Bereich in den nächsten Jahren und Jahr zehnten?

Kopetz: Ich glaube, dass ist ein wichtiger Begriff. Die solare Energiewirtschaft ist jene Form der Energieversorgung, die letztlich auf die Sonneneinstrahlung setzt. Man kann ja ausrechnen, allein für Österreich macht die Sonneneinstrahlung etwa 250 mal soviel Energie aus, wie Österreich benötigt. Daher kommt es darauf an, dass wir Technologien entwickeln und nutzen, die diese Sonneneinstrahlung zur Energieversorgung verfügbar machen. Und da gibt es die direkte Form der Nutzung der Sonnenenergie wie Photovoltaik oder Solarkollektoren oder Solarkraftwerke und die indirekte Form der Nutzung in Form von Wind, Biomasse und Wasser. Und ich glaube, dass es in Österreich möglich wäre, innerhalb von fünfzig oder sechzig Jahren das Energiesystem so weiterzuentwickeln, dass dann der weit überwiegende Teil des Energiebedarfes aus diesen solaren Energieformen gedeckt wird.

Schaller: In Graz hat Ende Jänner 2005 eine große mitteleuropäische Biomassekonferenz stattgefunden. Was waren die Kernaussagen dieser Konferenz?

Kopetz: Eine Kernaussage war sicherlich die Klarstellung, dass der Einsatz der Biomasse im Energiesystem wesentlich beschleunigt werden sollte. Dass wir jährlich dreimal soviel Biomasseanlagen installieren sollten wie bisher, um rechtzeitig die drohende Verknappung bei Erdöl in ihrer Auswirkung auf die Steiermark entsprechend abzumildern. Die zweite wesentliche Aussage war, dass wir in den nächsten vier bis sieben Jahren höchstwahrscheinlich vor einem Strukturbruch der Erdölmärkte stehen und dass ohne rechtzeitige Vorbereitung auf diese neue Situation die Wirtschaft in Europa durch diese Krise in der Erdölversorgung sehr stark destabilisiert werden könnte. Und die beste Strategie gegen diese Destabilisierung wegen zu hoher Energiepreise wäre der beschleunigte Umstieg auf erneuerbare Energie in Form von Biomasse.

Schaller: Wie ist die Situation in der Steiermark, welche Perspektiven gibt es und was ist bis jetzt schon gemacht worden, um diesen Umstieg zu schaffen?

Kopetz: In der Steiermark ist die Entwicklung ähnlich wie in Österreich insgesamt: es gibt viele Investitionen in Richtung Biomasse. Gleichzeitig stellen wir fest, dass nach wie vor viel in die Verwendung von Öl und Gas zur Wärmeversorgung investiert wird und dass vor allem im Verkehrsbereich der Treibstoffverbrauch zunimmt und in der Stromerzeugung der steigende Strombedarf überwiegend aus fossilen Quellen gedeckt wird. Diese Beschleunigung der Umstellung des steirischen Energiesystems auf eine nachhaltige Form auf der Basis erneuerbarer Energieträger wird gerade auch nach den Diskussionen der Konferenz nur gelingen, wenn in der Steiermark neue Instrumente für den beschleunigten Umstieg auf erneuerbare Energien eingesetzt werden.

Schaller: Was wären solche Instrumente?

Kopetz: Da gibt es den Vorschlag für ein Klimaschutzgesetz, das einen Abschnitt Ökowärme beinhalten soll. Mit solchen neuen gesetzlichen Regelungen sollen wirtschaftliche Anreize zum beschleunigten Umstieg auf erneuerbare Heizsysteme gesetzt werden. Es gibt auch einen anderen Abschnitt Stromeffizienz. Durch den wirtschaftlichen Anreiz zum Stromsparen und zum Ersatz von Strom durch andere Energieträger, durch erneuerbare Energieträger soll ein Anreiz gegeben werden, Strom durch andere Energieträger zu ersetzen.

Schaller: Sie sind ja in zwei Funktionen tätig: zum einen als Direktor der Landwirtschaftskammer, zum anderen als Obmann des Österreichischen Biomasseverbandes. In beiden Fällen haben Sie es mit Bauern zu tun. Auf der einen Seite wahrscheinlich sehr oft mit Bauern, die immer wieder in einer Krisensituation stehen oder sich die Frage der Zukunftsperspektive stellen, d.h. wie werden sie in den nächsten Jahren und Jahrzehnten leben und überleben können. Auf der anderen Seite auf der Seite des Biomasseverbandes haben sie es mit neuen Tätigkeitsfeldern für Bauern zu. Was gibt es da heute bereits für Perspektiven oder für Entwicklungen für die Landwirte sozusagen in Richtung Energiebereitstellung?

Kopetz: Allein heute schon bringt die stärkere Einbindung der Land- und Forstwirtschaft in den Energiemarkt für die Bauern und die Waldbesitzer gänzlich neue Perspektiven. Sie wird dazu führen, dass dieser primäre Sektor der Wirtschaft in Zukunft Bedeutung und Gewicht gewinnen wird, weil es sich abzeichnet, dass innerhalb der nächsten zwei, drei Jahrzehnte die Rohstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft einen immer wichtigeren Teil der Energieversorgung abdecken werden, so dass die Land- und Forstwirtschaft neben der Nahrungsmittelversorgung und der Landschaftspflege auch als Energielieferant von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewinnen wird. Und das gibt natürlich für viele landwirtschaftliche Betriebe neue Einkommensmöglichkeiten, neue Entwicklungsmöglichkeiten und das wird heute von der bäuerlichen Bevölkerung sehr unterstützt und sehr positiv beurteilt.

Schaller: Wenn man sich die Energieschiene bei uns in Österreich bzw. in der Steiermark anschaut, gibt es da bereits logische Kooperationspartner für Bauern? Man könnte ja eigentlich statt von Landwirten auch von Energiewirten sprechen.

Kopetz: Es bildet sich da eine ganz neue Kooperation zwischen zahlreichen gewerblichen Firmen, zum Teil auch Industriebetrieben heraus, die Geräte und Produkte erzeugen, um Biomasse in erwünschte Energieformen umzuwandeln. Also zum Beispiel Hersteller von Pellets-Heizungen, Hersteller von großen Holzkesseln zur Verbrennung von Hackgut und Rinde, Hersteller von Pellets aber auch Installateure und Planer, die diese neuen Heizsysteme auf der Basis von Holz in Kombination mit Solarkollektoren planen und dann eben auch einbauen bis hin zu Firmen im Bereich der Treibstoffwirtschaft, die mit landwirtschaftlichen Betrieben im Bereich der Bereitstellung von Biotreibstoffen kooperieren. Dies geht bis zu den Grazer Stadtwerken, die etwa Biodiesel als Treibstoff in den Grazer Bussen einsetzen. Und es zeigt sich, dass diese Gruppe von gewerblichen Betrieben, die große Entwicklungsmöglichkeiten im Aufbau des erneuerbaren Energiesystems sehen, eigentlich immer größer wird. Sie treten Hand in Hand mit den Land- und Forstwirten dafür ein, dass der Umbau zu einem nachhaltigen Energiesystem beschleunigt durchgeführt wird.

Schaller: Jetzt gibt es in der Steiermark quasi als bekanntestes Beispiel den Autocluster. Gibt es Überlegungen, so etwas wie einen nachhaltigen Energie- oder Holzcluster in diese Richtung zu machen?

Kopetz: Holz wird ja sehr vielseitig verwendet: in der gesamten Baubranche, in der Papierbranche, in der Zelluloseproduktion. Und in diese Richtung gibt es einen Cluster. Im Bereich der Nutzung von Biomasse für Energiezwecke gibt es formal keinen Cluster aber ein echtes Netzwerk, in dem Firmen und Organisationen zusammenwirken, die de-facto so funktionieren wie ein Cluster, obwohl dieser Name dafür bis jetzt noch nicht verwendet wurde.

Schaller: Jetzt eine persönliche Frage. Sie beschäftigen sich schon sehr lange mit dem Thema Nachhaltigkeit. Was bedeutet für Sie persönlich Nachhaltigkeit?

Kopetz: In einem abstrakten Sinn bedeutet für mich Nachhaltigkeit, dass wir die Produktionsprozesse so organisieren, dass die Stoffe letztlich im Kreislauf geführt werden wie eben in der Natur. Und dass die Energie, die für diesen Kreislauf notwendig ist, von der Sonne kommt. Ein nachhaltiges Wirtschaftssystem ist für mich ein Wirtschaftssytem, das zur Gänze auf erneuerbarer Energie basiert, das in einem höchstmöglichen Maße Rohstoffe im Kreislauf nutzt und damit die Vergeudung von Rohstoffen durch Verluste, die dann irgendwo als Abfall auftreten, vermeidet.

Schaller: Wenn man ein nachhaltiges Leben als ein gelungenes Leben bezeichnet und auf die Ebene des Einzelmenschens herunter bricht, was bedeutet für Sie so ein gescheites Leben oder ein gelungenes Leben.

Kopetz: Das geht jetzt über den Begriff Nachhaltigkeit hinaus. Wenn ich es aber wieder auf die Nachhaltigkeit beschränke, so kommt es mir ganz einfach gesagt darauf an, dass wir uns wieder einen Lebensstil angewöhnen, der für alle Menschen auf Dauer möglich ist.

Links:

Bücher:

  • Nachhaltigkeit als Wirtschaftsprinzip, Agrarverlag 1992
  • Zukunft Grüne Energie - Kurswechsel für Landwirtschaft und Energiewirtschaft in Europa, Agrarverlang 2000
  • Das Jahrhundertprojekt - Solare Energiewirtschaft statt Naturkatastrophen, Ökosoziales Forum, Wien 2002

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