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- Menschenrechtsbeobachter in Guatemala

Der Grazer Jurist Mag. Klaus Kapuy war im Herbst/Winter 2004/2005 fast ein halbes Jahr lang als Menschenrechtsbeobachter in Guatemala im Einsatz. Er begleitete Zeugen, die durch ihre Aussage unter Lebensgefahr zur Aufarbeitung der Zeit der Militärdiktatur beitragen!....

Es ist April 2005 und für den Grazer Juristen Mag. Klaus Kapuy ist vor wenigen Wochen ein mehrmonatiger Aufenthalt in Guatemala zu Ende gegangen. In Graz hat er Rechtswissenschaften studiert und einige Zeit am ETC, dem European Training and Research Centre for Humen Rights and Democracy als wissenschaftlicher Mitarbeiter gearbeitet, bis er sich vor etwa einem Jahr dazu entschloß, der theoretischen Auseinandersetzung mit den Menschenrechten auch die praktische folgen zu lassen. Durch Zufall ist der auf das Zeugenschutzprogramm der Guatemala Solidarität Österreich gestoßen und nach einem Vorbereitungswochenende hat er sich entschlossen, in diesem Projekt mitzuarbeiten. Im September 2004 reiste er nach Guatemala, um zuerst Spanisch zu lernen und dann im Hochland tätig zu werden.

Active ImageSeine Aufgabe im Zeugenschutzprogramm schildert Klaus Kapuy so: "Ich habe drei Monate im Hochland in Nebaj in der Region El Quiche gearbeitet. Zu zweit betreut wir 22 Zeugen in acht Dörfern, die wir im Abstand von zwei Wochen besuchten. Unsere Aufgabe war es, die Menschenrechtssituation in Nebaj zu beobachten und zu dokumentieren. Wir haben uns auf Zeugen und ihre Familien konzentriert und sie beispielsweise bei offiziellen Wegen oder bei der Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft begleitet. Durch unsere Anwesenheit und unsere Begleitung konnten wir ihnen ein zumindest subjektives Gefühl der Sicherheit vermitteln."

Active ImageDie Notwendigkeit dieses Zeugenschutzprogramms geht auf die grausame Zeit des 36 jährigen Bürgerkrieges zurück, der 1994 mit Friedensverträgen offiziell beendet wurde. Nach den Jahren des Krieges wurde begonnen, die Verbrechen aus der Zeit des Bürgerkrieges aufzuarbeiten, wie Kapuy erklärt: "Zur Zeit wird gegen zwei Regierungen aus der Zeit der Militärdiktatur ermittelt, und zwar gegen die Regierung Lucas Garcia und gegen die Regierung Rios Montt. In beiden Fällen sind mit den genannten Personen auch die Chefs des Generalstabes sowie die Verteidigungsminister angeklagt, insgesamt acht Personen. Gegen sie wurde Anklage aufgrund der Tatbestände Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und als schwerwiegendstes Verbrechen Genozid, also Völkermord erhoben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit rund vier Jahren in diesen Verfahren und bedient sich dabei auch Zeugen. Insgesamt haben sich über 100 Zeugen aus ganz Guatemala gemeldet, die über ihr Erlebtes berichten und gegen diese beiden Oberkommanden aussagen. Als die Klagen eingebracht wurden, haben viele Zeugen Einschüchterungen und Morddrohungen erhalten. Durch unsere Begleitung haben diese Drohungen aber nachgelassen oder zum Teil überhaupt aufgehört."

Active ImageWährend man in Österreich sicher leben kann, ist dies in einem Land wie Guatemala nicht der Fall, wie Klaus Kapuy erzählt: "Es ist schwer, eine allgemeine Einschätzung abzugeben, weil die Gefahr von vielen Faktoren abhängt: vom Einsatzzeitpunkt, aber auch von der Region, in der man eingesetzt wird. Ich hab mich im Hochland sicher gefühlt, habe aber aufgrund des organisierten Verbrechens und der Straßenkriminalität, die sehr stark angestiegen sind, auch Situationen der Angst erlebt. Im Projekt habe ich keine gefährlichen Momente erlebt, es hat aber Begleiter gegeben, die Drohungen bis hin zu Morddrohungen erhalten haben."

Besonders spannend war es für ihn als Jurist, das Rechtssystem in Guatemala kennen zu lernen: "Während meines Sprachkurses habe ich bei einer Juristenfamilie gewohnt und durch das Lesen von Gesetzestexten einen Einblick in das Rechtssystem bekommen. Die Gesetzesbücher an sich haben einen hohen Standard. Probleme gibt es aber bei der Umsetzung in die Praxis: das größte Problem ist sicherlich die Korruption. Ein zweites großes Problem ist das ungenügende Personal der Staatsanwaltschaft. Das heißt, es gibt zu wenig Personal, schlecht ausgebildetes Personal und korruptes Personal. Es fehlen aber auch die technischen Möglichkeiten, um gewisse Verbrechen aufzuklären und die Ermittlungen voran zu treiben, sehr oft fehlt der politische Wille. Natürlich gibt es auch korrupte Richter, aber mir wurde erzählt, dass die Richter oft keine andere Möglichkeit haben, als Kriminelle frei zu sprechen, weil die Staatsanwalt nicht ausreichend ermittelt hat."

Vom Rechtssystem ist es natürlich nicht mehr weit zu den Menschenrechten, die er als Menschenrechtsexperte als besonders mangelhaft erlebt hat: "Zum ersten Mal in meinem Leben wurde ich mit derart massiven Menschenrechtsverletzungen auf mehreren Ebenen konfrontiert und ich habe zum ersten Mal erfahren, wie sehr die verschiedenen Bereiche in einander übergehen. Die Menschenrechtsverletzungen fangen bei einer korrupten Regierung und einem korrumpierten System an und setzen sich bis auf die G emeindeebene fort, wo Beamte offen sind für Bestechungsgelder. Ein zweites Problem ist die Gewalt: die Kriminalitätsrate ist sehr hoch und viele Menschen tragen durch den 36 Jahre langen Bürgerkrieg eine hohe Gewaltbereitschaft in sich. Es gibt Mängel im Umweltbereich: in vielen Regionen gibt es weder Müll- noch Abwasserentsorgung und die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrung und mit Wasser kann nicht garantiert werden. Das sind nur einige Beispiele und man könnte sehr lange ausführen, wo und wie die Menschenrechte verletzt werden."

Active ImageAber auch die Umstellung von Europa in ein Land der "3. Welt" war für ihn gravierend: "Für mich waren die Lebensbedingungen schockierend. Ich habe mich auf die Arbeit und auf die psychische Belastung vorbereitet - es war dann glücklicherweise nicht so gefährlich, wie ich mir das gedacht habe. Ich habe mich aber nicht so sehr auf die Armut vorbereitet, mit der konfrontiert wurde und die in den ersten Wochen sicherlich mein größtes Problem darstellte. Ich habe zwar gewusst, dass es in manchen Dörfern keinen Strom, kein fließendes Wasser gibt. Was es aber dann wirklich bedeutet, ohne Strom und ohne Wasser zu leben, merkt man erst vor Ort. Die Menschen sind bitter arm, sie leben in Hütten auf den Erdböden. Das wirklich traurige war, dass sie arbeiten müssen, um zu überleben, um sich und ihre Familie in den nächsten Tage ernähren zu können."

Nach der Umstellung auf Guatemala erfolgte nach einem knappen halben Jahre auch wieder die Umstellung zurück: "Für mich hat sich durch den Aufenthalt in Guatemala einiges verändert und irgend etwas fehlt mir. Ich kann es nicht in Worte fassen, aber das Leben hier ist für mich anders geworden. Ich habe beschlossen, wieder weg zu gehen, um im Ausland im Bereich der Menschenrechte tätig zu werden. Es zieht mich in diese Richtung!"

Klaus Kapuy wurde durch seinen Einsatz in Guatemala bekräftigt, sich weiter für Menschenrechte zu engagieren. Interessenten an einem ähnlichen Einsatz gibt er folgende Rat auf den Weg: "Die wichtigste Voraussetzung ist natürlich das Interesse an der Arbeit und die Offenheit für die Situation. Von der Guatemala Solidarität Österreich werden ein Mindestalter von einundzwanzig Jahren, gute Spanischkenntnisse, Kenntnisse im Bereich der Menschenrechte und eventuell auch schon Erfahrungen im Bereich Lateinamerika vorausgesetzt!"

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