- AIESEC-Mitarbeiterin

Sie engagiert sich in der Studierendenorganisation AIESEC in Graz. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen hat sie mehr als 1.700 KundInnen von H&M interviewt, wie weit sie bereit wären, für Kleidung aus fairer Produktion mehr Geld auszugeben.

Die AIESEC-Mitarbeiterin Bettina Steinbrugger hat die Aktion fair wear ins Leben gerufen!

Wir sitzen im Büro der Studierendenorganisation AIESEC in Graz, trinken Fairtrade-Bio-Tee und Bettina Steinbrugger, eine Kärntner Romanistikstudentin erzählt, wie sie auf die Idee kam, das Projekt „wear fair – und wie fair ist ihre Kleidung?“ auf die Beine zu stellen.

„Vor einem Jahr hat sich das Global-Developement-Team von AIESEC Graz mit CSR - Corporate Social Responsibility befasst. Wir haben im November 2006 einen Aktionstag an der Uni zum Thema CSR veranstaltet, weil wir gemerkt haben, dass die Studierenden noch zu wenig Bescheid über CSR und seine Prinzipien wissen. Wir veranstalteten eine Podiumsdiskussion mit Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft und diskutierten über den Sinn von CSR und Zukunftsfähigkeit. Nach diesem Aktionstag ist der Wunsch entstanden, konkreter zu werden und in Aktion zu treten. Da wir ein AIESEC-Global-Development-Team sind, wollte ich, dass wirklich etwas machen, etwas Globales, das auch etwas verändern kann und das über die reine Informationsweitergabe hinausgeht. Da das Thema faire Kleidung in unserer Gesellschaft noch wenig präsent ist, haben wir uns damit auseinander gesetzt.

Ich habe mir gedacht, was bei den Nahrungsmitteln möglich ist, müsste eigentlich auch bei der Kleidung möglich sein. Bei Kleidung besteht ja ein großes Defizit, was die Transparenz angeht - woher die Kleidung kommt und unter welchen Bedingungen sie produziert wurde. Das war unsere Grundidee!“

Von der Idee, etwas zu tun, bis zur konkreten Aktion sollten noch ein paar Monate vergehen. Innerhalb von AIESEC, einer weltweit agierenden Gruppe von Studierenden mit Standorten an 800 Universitäten, gibt es an fast jedem Standort so genannte Global Development Teams, die sich auf lokaler Ebene mit globalen Themen befassen. Das Global Development Team von AIESEC Graz begann, sich intensiv mit dem Thema „faire Kleidung“ auseinander zu setzen, um auch Konsumentinnen und Konsumenten auf das Thema faire Kleidung aufmerksam zu machen. AIESEC wählte dazu eine Umfrage, wie Bettina Steinbrugger erläutert: „Uns war es sehr wichtig, das Thema der fair produzierten Kleidung aus dem – ich will das jetzt nicht abwertend sagen – „ethischen Eck“ herauszuholen. Viele Menschen glauben, fair produziert bedeutet immer nur, dass man Produkte nur im Weltladen kaufen kann und das bedeutet bei der Kleidung, dass es bunte Kleidung ist. Und wenn mir die nicht gefällt, dann kann ich nicht fair produzierte Kleidung tragen. Wir wollten das Thema aus dieser Ecke herausholen und zeigen, dass fair-produziert auch auf einer breiteren Ebene stattfinden kann. Wir haben von Anfang an daran gedacht, mit einem großen Konzern zu kooperieren. Wir wollten schauen, ob wir in Kooperation mit so einem Unternehmen etwas verändern können. Mit der Idee, Umfragen zum Thema fair produzierte Kleidung in Shops zu machen, sind wir dann an H&M herangetreten. Wir wollten erheben, was die Leute darüber wissen, ob sie prinzipiell dazu bereit wären, fair produzierte Kleidung zu kaufen und dafür auch mehr zu zahlen. Zu unserer großen Überraschung war H&M sehr begeistert von dieser Idee!“

Über die Konzernzentrale von H&M in Schweden wurde abgeklärt, dass in den Grazer H&M-Shops eine Woche lang KundInnen befragt werden können. Über 1700 KonsumentInnen waren es, die von den Studierenden befragt wurden. Die Reaktionen waren durchwegs positiv, wie Bettina Steinbrugger berichtet: „Die überwiegende Mehrheit hat gesagt, dass sie die Herkunft ihrer Kleidungsstücke in die Kaufentscheidung einbeziehen würden. Und sie wären auch bereit, mehr zu bezahlen. Wir haben Spannen von ein bis zwei Euro abgefragt, die Leute haben aber gesagt, dass sie wirklich bereit wären, auch fünf oder zehn Euro mehr zu bezahlen! Wie das dann in der Realität ausschaut, ist natürlich eine andere Frage!“

Die Ergebnisse der Befragung sind beeindruckend:

  • 55,1% der Befragten gaben an, vom Thema faire Kleidung gehört zu haben.
  • 85% der Befragten würden Kleidung aus fairen Produktionsbedingungen anderer Kleidung vorziehen.
  • 84% der H&M KundInnen sind bereit, für fair produzierte Kleidung mehr Geld auszugeben. Für ein Kleidungsstück im Wert von € 10,-- wären 4,5% bereit, 50 Cent mehr auszugeben, 38,5% würden € 1,-- mehr ausgeben und mehr als die Hälfte, nämlich 56,9% würde € 2,-- mehr zahlen, wenn sie wüssten, dass die Kleidung unter fairen Bedingungen produziert wurde.
  • 80% der Befragten gaben an, ihre abgetragene Kleidung zu spenden.

Um die Ergebn isse der Befragung einer breiteren Öffentlichkeit zu präsentieren, veranstaltete AISEC gemeinsam mit H&M, der Clean Clothes Kampagne, GEA Waldviertler und dem Land Steiermark am 8. Mai eine gut besuchte Informationsveranstaltung.

Für Bettina Steinbrugger ist das Thema „faire Kleidung“ damit nicht erledigt. „Aus logistischen und zeitlichen Gründen war diese Umfrage lokal auf Graz beschränkt. Das ganze Projekt soll sich aber heuer noch über die AISEC-Plattform über Österreich hinaus ausweiten. Wir wollen vor, dass dieses Projekt auch in Ländern wie Bangladesch, China, Schweden usw. angenommen wird und auch dort Umfragen stattfinden, weil dann, wenn in mehreren Ländern etwas passiert und sozusagen in mehreren Ländern die Bereitschaft vorhanden ist, etwas zu verändern, wirklich etwas passieren kann. Wir wollen, dass AISEC das Projekt in mehreren Länden vorantreibt, denn dann können wir wirklich etwas verändern – das ist eigentlich das langfristige Ziel dieses Projektes!“

Damit die Konsumenten sicher sein können, dass Kleidung aus fairer Produktion stammt, wäre ein einheitliches Siegel notwendig. Steinbrugger dazu: „Bis jetzt gibt es einige Organisationen, die die Produktionsbedingungen kontrollieren. Zum Beispiel ist H&M Mitglied bei einigen dieser Organisationen und wenn Produze nten gewisse Standards nicht erfüllen, dann dürfen sie dort nicht Mitglied sein. Zur Zeit gibt es aber zu viele und zu undurchsichtige Siegel und es fehlt eine absolute, einheitliche, zentrale Kontrolle. Fairtrade ist jetzt dabei, auch für Kleidung solch ein Gütesiegel zu entwickeln, aber wie gesagt, das ist erst im Entstehen.“

Für Unternehmen wie H&M sieht Steinbrugger eine Chance in fairem Handel: „Es wird nicht möglich sein, die gesamte Kleidungsproduktion zu verändern. Aber wenn es gelingt, ähnlich wie mit „designed by Madonna“ in den Shops ein Eck einzurichten, wo Produkte verkauft werden, die aus fairere Produktion stammen, dann wäre dies für die Konsumentinnen und Konsumenten klar nachvollziehbar.“

Nachhaltigkeit stellt für die junge Frau eine Lebensphilosophie dar: „Das ist nichts, was man Jemandem von außen überstülpen und dann sagen kann, „du bist jetzt nachhaltig!“ Nachhaltigkeit muss aus einer inneren Überzeugung heraus kommen. Ich bin durch meine ganze Arbeit bei AIESEC so in dieses Thema hineingewachsen und kann mich mittlerweile so sehr damit identifizieren, dass ich schon gar nicht mehr anders handeln kann. Ich finde, dass ist auch das Wichtige, dass das sozusagen im Alltag gelebt wird. Dass CSR nicht ein theoretisches Wirtschaftskonzept bleibt, sondern dass es auch im Einzelnen gelebt wird. Wenn ein Unternehmer selbst so denkt, dann kann sich in einem Unternehmen etwas verändern. Das Umdenken findet im Kopf statt und deshalb machen wir die Kampagne, weil wir die Leute dazu anregen wollen, damit sie selbst feststellen, „hier ist es cool, auch fair zu kaufen“. Wir wollen, dass die Leute selbst davon überzeugt sind, dass es ihnen etwas bringt, dass sie wissen, dass die Welt zusammenhängt. Dass wir alle miteinander verbunden sind und voneinander abhängen und dass es uns auch nur dann gut gehen kann, wenn es den Leuten am anderen Ende der Welt gut geht. Deshalb finde ich es wichtig, dass jeder selbst draufkommt, dass das eigentlich der einzig wirklich langfristige Weg ist!"

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