- Professor am Institut für Internationales Management Universität Graz

Univ.-Prof. Dr. Bernhard Mark-Ungericht ist Professor am Institut für Internationales Management der Universität Graz. Er befasst sich im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeiten mit strategischer Unternehmensführung, Unternehmenskultur und Wirtschaftsethik. Einen aktuellen Forschungsschwerpunkt stellt die CSR-Praxis dar.

„Für mich ist der Kern von Strategie, Dinge anders zu machen, anders zu denken, anders zu handeln“ zitiert Bernhard Mark-Ungericht Michel Foucault. „Unternehmerisch tätig zu sein bedeutet für mich nicht, dass man Kapital vermehrt – das Vermehren des Kapitals kann ein Nebeneffekt sein – unternehmerisch tätig sein bedeutet für mich in erster Linie kreativ zu sein, Denkgrenzen zu überschreiten, Dinge, die vielleicht als unmöglich erscheinen, produktiv miteinander verknüpfen zu können. Verantwortung und Unternehmensführung beispielsweise, wirtschaftlicher Erfolg und Verantwortung sind zwei Bereiche, die eben auch verknüpft werden müssen!“

Dieses „Dinge anders tun“ prägt Bernhard Mark-Ungericht seit langer Zeit. Im Rahmen seiner wissenschaftlichen Tätigkeiten hat er, der in Innsbruck Betriebswirtschaftslehre studierte, eineinhalb Jahre im südlichen Afrika verbracht und sich mit dem Thema „Rassismus und Ökonomie“ beschäftigt. „Das Apartheid-System hat sich dadurch ausgezeichnet, dass es eine starke Trennung der Bevölkerungsgruppen je nach Hautfarbe gegeben hat - diese Trennung spiegelte sich auch in den Unternehmen wieder: Die Chefs waren weiß, die Vorarbeiter coloured, also ein bisschen dunkler, und je weiter es nach unten gegangen ist, umso dunkler ist die Hautfarbe geworden. Namibia ist damals gerade unabhängig geworden und ich habe untersucht, wie man in so einem historisch gewachsenen System damit umgeht, wenn sich die Rahmenbedingungen auf einmal drastisch ändern, welche Probleme sich für die Unternehmen ergeben, wenn beispielsweise das Potential, das natürlich auch in den anderen Bevölkerungsgruppen vorhanden ist, wenn das Potential künstlich niedrig gehalten wird“.

Auf dieses „Dinge anders tun“ stieß er aber auch im Rahmen von Interviews, die er für seine Habilitation in Großbritannien mit Unternehmen der Ethical Trading Initiative führte: „Ich habe immer wieder von den Managern solcher Unternehmen gehört, dass sie davon ausgehen, dass die „ethisch sauberen Beschaffungsketten“ in zehn Jahren Standard sein werden, dass sie ein Kriterium für gutes Management sein werden. Diese Manager gehen davon aus, wenn sie sich jetzt darauf einstellen, dann werden sie einen Wettbewerbsvorteil haben gegenüber Unternehmen, die eher reaktiv sind oder die vielleicht sogar über ihr Lobbying-Organisationen versuchen, Veränderungen zu verhindern.“

Während die Übernahme von Verantwortung durch die Unternehmen kein neuer Ansatz ist, versteht Mark-Ungericht CSR als politisches Instrument aber sehr wohl als neuen Ansatz, den er auf Grund der politischen Rahmenbedingungen erklärt: „CSR ist im angelsächsischen Raum schon vor dem EU-Grünbuch im Jahr 2001 diskutiert worden. Dies erfolgte nicht zufällig im angelsächsischen Raum, weil es da die sozialpartnerschaftliche Traditionen nicht in dieser Form gibt und sich die Frage der Verantwortung von Unternehmen viel deutlicher als bei uns gestellt hat. Bei uns beschränkt sich das Thema Unternehmensverantwortung eher auf die Einhaltung von Rechtsnormen.“ Dass CSR nun auch bei uns verstärkt zum Thema wird, liegt für ihn in der Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen: „Mit der Deregulierung, der Liberalisierung und vor allem der Internationalisierung der Ökonomie fehlen die Rahmenbedingungen, um die Auswirkungen der unternehmerischen Tätigkeiten - und die gibt es - möglichst zu minimieren.“

Den Begriff CSR vergleicht Mark-Ungericht mit einer leeren Hülle: „Im Prinzip ist das ein offener Begriff, so wie Gerechtigkeit immer ein offener Begriff ist. Man kann alles darunter verstehen. Es ist eine leere Hülle, die mit jedem Inhalt aufgefüllt werden kann. Für mich ist es eine ganz wichtige gesellschaftspolitische Frage, dass man sich mit allen Beteiligten - und da gehören die Unternehmen auch dazu - darüber unterhält und dass man das Konzept unternehmerischer Verantwortung mit Inhalten füllt“. Auch hier nimmt er Bezug auf den Ansatz der Ethical Trading Initiative: „Unternehmensvertreter, NGO’s und Gewerkschaften haben gesagt, wenn wir ehrlich sind, weiß keiner, wie wir die internationalen Beschaffungsketten ethisch sauber organisieren können. Hier wurde bewusst ein Lernansatz gewählt, bei dem die unterschiedlichen Perspektiven und das unterschiedliche Know-how eingebracht werden und gemeinsam geschaut wird, wie solche Prozesse besser organisiert werden können. Mir ist der demokratische Prozess sehr sympathisch. Andererseits ist für mich klar, dass Bereiche wie die Menschenrechte selbstverständlich Bestandteil von Unternehmensverantwortung sein müssen. Das ist ein zivilisatorischer Fortschritt, hinter den man nicht mehr zurückgehen sollte!“

Für Mark-Ungericht stellt sich auch die Frage nach dem Bild von Unternehmen: „Betrachte ich Unternehmen als ein privatwirtschaftliches Instrument zur Vermehrung des privaten Vermögens eines privaten Eigentümers oder verstehe ich Unternehmen als gesellschaftliche Institutionen, weil sie gesellschaftliche Konsequenzen mit sich bringen?“

In der Diskussion um CSR sind die Unternehmen für ihn einer von drei wichtigen Akteuren: „Unternehmen sind ein Akteur. Aber auch die Interessensvertreter der Unternehmen sind ein Akteur, auch wenn sie nicht unbedingt immer die Positionen der Unternehmen vertreten. Ein dritter Akteur sind die Zivilgesellschaft bzw. die Arbeitnehmerorganisationen. Wenn wir auf die Unternehmen als Akteure und ihr Verständnis von CSR zurückkommen, gibt es eine große Bandbreite: die einen verstehen unter CSR die reine Spendentätigkeit, andere den Umgang mit den eigenen Beschäftigten und wieder andere das Erwirtschaften von Gewinnen, um die Spendentätigkeit fortführen zu können. Es gibt auch Unternehmen, die Corporate Social Responsibility eher auf den ökologischen Bereich beziehen – das sind die Ausschnitte aus einem großen Bereich!“

Auch wenn Mark-Ungericht zögert, Vorzeigeunternehmen zu nennen, nennt er doch zwei Beispiele. Das eine Beispiel ist die Firma HESS-Natur, bei der es eine völlige Transparenz hinsichtlich der Beschaffungskette, der eingesetzten Chemikalien, der Produktionsweise, der Managementmethoden und der Standorte gibt. Das zweite Beispiel ist das österreichische Unternehmen GEA Waldviertler, ein, dass gerade dabei ist, eine Unternehmensverfassung zu entwickeln. In dieser Verfassung wird unter anderem festgelegt wird, dass die Differenz zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Einkommen im Unternehmen nicht mehr als 3 : 1 betragen darf und dass Gewinne, wenn sie über 5 % hinausgehen, regional zu investieren sind oder Sozialeinrichtungen zu gute kommen. Von der Unternehmensleitung wurde ein Solidaritätsfonds errichtet, in den ein gewisser Prozentsatz der Lohnsumme eingezahlt wird. Die Mitarbeiter entscheiden in Selbstverwaltung, wie jemandem in einer Notlage geholfen wird. Auch die Bemühungen, die internationale Beschaffungskette umweltverträglich und sozialverträglich zu organisieren, sind Anzeichen, dass es ein Problembewusstsein und einen Willen gibt, etwas zu tun und die Verantwortung als Unternehmen wahrzunehmen.

Nachhaltigkeit ist für Mark-Ungericht ein politischer Begriff, der im engen Zusammenhang mit der Frage steht, in welcher Gesellschaft wir in Zukunft leben wollen. Dieser Begriff bedeutet für ihn „so etwas wie Lebensdienlichkeit, Lebensfreundlichkeit. Dazu gehört die soziale Dimension und damit auch die Verantwortung, die zur sozialen Dimension notwendigerweise dazugehört. Hinter diesem Begriff steckt die Frage, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen. Wollen wir in einer wettbewerbsgetriebenen Gesellschaft leben, die ziemlich fragwürdig durch Theorien legitimiert wird, die vor 150, 200, 300 Jahren entwickelt wurden? Wollen wir das wirklich oder versuchen wir, das Wirtschaften, die Wirtschaft nach lebensdienlicheren, nach produktiveren Wegen zu organisieren?“

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