- Biologe und Künstler

Dr. Klaus Schrefler stammt aus Oberösterreich und ist zum Studium nach Graz gekommen. Nach einem anfänglichen Technikstudium hat er auf Umweltwissenschaften gewechselt und als Biologe promoviert. Als Biologe und internationaler Künstler ist er seit Jahren freischaffend tätig.

Schaller: Sie sind Künstler und Biologe. Wie kommt es zu solch einer Kombination?

Schrefler: Die Kombination ist an und für sich Natur - Kultur und die hört sich immer wie ein gewisser Gegensatz an. Für mich ist dieser Gegensatz in Form eines Unfalls in meinem Leben passiert. Nach einem schwereren Motorradunfall habe ich beschlossen, diese Gegensätze zu vereinen, die Kreativität direkt auszuleben und die Natur nicht als Betrachter aufzunehmen.

Schaller: Welche Projekte verfolgen Sie als Künstler? Bei vielen Künstlern gibt es ja so etwas wie eine Grundidee oder einen Anfangsimpuls, der sie ein Leben lang "verfolgt".

Schrefler: Für mich ist dieses "Wunden heilen" ein Thema in meiner künstlerischen Auseinandersetzung geworden. Das heißt, diese Gegensätze, die an und für sich unvereinbar scheinen, an denen immer Grenzlinien sind, zu schließen, zu verbinden und dadurch einen gewissen friedvollen Umgang dieser zwei Extreme miteinander zu erreichen.

Schaller: Welche Projekte verfolgen Sie als Künstler?

Schrefler: Das ist insofern verschieden, weil ich mich vom Genree oder der Technik weniger leiten lasse, sondern eher in Form interkultureller Projekte arbeite oder mich mit Malerei oder Fotografie direkt auseinander setze. Das bedeutet beispielsweise beim letzten Projekt mit Lateinamerika die Auseinandersetzung mit dieser Grenzlinie zwischen Arm und Reich, mit dieser Grenze für Wohlstand und Glückseligkeit. Für mich war das eine sehr starke Herausforderung, mich einerseits mit dieser Thematik, andererseits auch mit der alten Kultur und mit der neuen Kultur, mit diesen Brücken auseinander zu setzen.

Schaller: Sie gehören zu den Menschen, die Lateinamerika oder Länder der "Dritten Welt" besser kennen. Was bleibt da an Eindrücken zurück oder was bekommt man da mit in solchen Ländern?

Schrefler: Für mich sind zwei Dinge sehr wichtig. Das eine ist die Tatsache, dass das Erleben dort so viel anders ist als das, was ich mir erwartet habe, als ich das erste Mal dort war. Das ist mittlerweile schon lange her, es war 1994 in Mittelamerika und Guatemala. Ich habe einerseits erfahren, dass man von den Menschen teilweise sehr positiv aufgenommen wird. Auf der anderen Seite habe ich auch einen Überfall erlebt und das hat mir gezeigt, dass diese Distanz zwischen Arm und Reich auch viel größer ist als bei uns. Wir haben mehr grau, dort gibt es eher dieses Schwarz und Weiß. Auf der anderen Seite habe ich natürlich auch in der Kultur, in der Betrachtung erlebt, dass wir sehr wenig darüber wissen, wie man dann konkret mit einer anderen Kultur umgeht. Es war sehr spannend, diese Feinheiten zum Beispiel auch in den Gegensätzen zwischen Asien und Südamerika zu erkennen.

Schaller: Wie geht man als Europäer, der in solch ein Land kommt, mit diesen Gegensätzen um?

Schrefler: Das Wichtigste ist, sich darauf einzulassen. Es geht darum, eine gewisse Feinfühligkeit zu lernen, die wir nicht unbedingt zwangsweise haben, und damit auch in der Lage sein, Dinge aufzunehmen. Für mich heißt das, nicht nur hinzugehen und zu konsumieren in dem Sinn "ich will auf Urlaub fahren, will mich an den Strand setzen", sondern umgekehrt, her zu gehen und auch diesen Reichtum, der auch da ist, der einem geboten wird, anzunehmen und daraus zu lernen.

Schaller: Was haben Sie konkret daraus gelernt?

Schrefler: Für mich war es insofern sehr maßgeblich, diese Position, die wir als momentan sechstreichstes Land der Welt haben, zu hinterfragen und mir die Frage zu stellen, ob wir nicht hinausgehen müssen – und wenn man das Sinnbild nimmt - als die Könige, die im Palast sitzen, dass wir hinaus gehen müssen vor die Mauern und schauen müssen, um zu verstehen, was sich da wirklich abspielt. Wir haben sehr viel Einfluss, allein durch das Kapital, das sich bei uns konzentriert.

Schaller: Sie arbeiten in ihren Projekten mit Künstlern aus Lateinamerika und aus Asien zusammen. Welche Erfahrungen haben Sie im Umgang mit diesen Menschen gemacht?

Schrefler: Für mich persönlich bedeutet das relativ viel, ist der Wert so einer kulturellen, interkulturellen Zusammenarbeit sehr hoch anzusehen. Man lernt, unabhängig von irgendwelchen Vorgaben zu agieren. Man kann nicht davon ausgehen, das ist meine Idee, machen wir das so. Man kann nicht einmal davon ausgehen, dass man mit dem gleichen kulturellen Zugang an ein Projekt herangeht. Und man muss sich relativ stark einlassen. Man muss sich auch bewusst sein, dass das Gegenüber das muss und man muss diesen Prozess als Ganzes anerkennen: als einen Lernprozess, als einen Weg zu einander.

Schaller: Wie schaut dieses "Sich Einlassen" für Sie aus?

Schrefler: Wenn ich einen Künstler, eine Künsterlin kennen lerne, dann ist der erste Schritt eigentlich ein persönlicher, dass wir einen Zugang zu einander habe. Dann entwickelt sich das insofern weiter, weil ich dann schaue, wo ist dieser gemeinsame Punkt. In dem letzten Projekt war er sehr oft aufgrund des Zugangs relativ spiritueller, das heißt, ich setze mich mit dem Hintergrund auseinander und mit diesen Fragen, die uns alle eigentlich mehr oder minder beschäftigen: wo gehen wir hin, wo kommen wir her und wo sind diese Gemeinsamkeiten? Damit ist es auch möglich, eben kulturelle Unterschiede, die sehr stark aufgrund nationaler, religiöser Grenzen bestehen, zu überwinden.

Schaller: Wenn Sie diesen Grundfragen vor einem unterschiedlichen kulturellen Hintergrund nachgehen. Welche Erfahrungen haben Sie da im Umgang mit Leuten aus Lateinamerika und Asien im Vergleich zu dem gleichen Umgang mit Menschen bei uns in Europa gemacht?

Schrefler: Grundsätzlich war der Unterschied, wenn man ihn auf dieses Thema bringt, gar nicht so groß. Dies ist vielleicht auch der Grund, wieso es für mich bereits relativ oft passiert ist und es weiterhin so sein wird, dass ich interkulturelle Projekte mache. Wenn man auf einer sehr persönlichen, hinterfragenden Ebene diese die Grundfragen anschauenden Themen bearbeitet, gibt es relativ schnell einen Konnex. Dieser wäre vielleicht weniger da, wenn man mit einem fertigen Thema irgendwo hin geht. Und das haben wir auch in den letzten Jahren nie gemacht. Es haben sich diese Kooperationen dadurch ergeben, dass man einen ähnlichen Zugang erkennt und sich daraus ein gemeinsames Projekt entwickelt.

Schaller: Was sind das nun für Themen, die Sie in gemeinsamen Projekten behandeln?

Schrefler: Na ja, an und für sich dreht sich's um Themen, die man, wenn man in diesen Ländern ist, oder eine Zeitlang dort lebt, sehr schnell erkennt: also eine andere persönliche Bedrohung, sei es durch Gewalt, sei es durch persönliche Bedrohung, die wir bei uns gar nicht mehr kennen. Andererseits auch durch die Geschichte und durch den Einfluss, den wir in diesen Ländern haben. Im konkreten Fall von Lateinamerika ist ja die Geschichte der Eroberung und Unterdrückung sehr bekannt und sie hat natürlich bis heute Spuren hinterlassen. Teilweise sind die gesellschaftlichen Strukturen vor allem der indigenen Bevölkerung mehr oder weniger direkte Folgen des europäischen Einflusses. Und aus dem heraus ergeben sich sehr viele Themen, die dann eben mit Brücken einerseits gelöst werden können und andererseits auch durch die Darstellung dieser Unterschiede, die man einfach nebeneinander stellen kann.

Schaller: Sie arbeiten als Künstler mit ganz unterschiedlichen Materialien, mit unterschiedlichen Medien. Das eine Mal ist es ein ganz bodenständiger Werkstoff wie bei einem der letzten Projekte Sölker Marmor, das andere Mal wiederum ist es das Medium Computeranimation oder Film. Was bedeuten für Sie diese Unterschiedlichkeiten der Medien, gibt es da eine besondere Sinnlichkeit des Mediums, des Materials, die so ein Medium nur für ein bestimmtes Thema machbar machen lassen?

Schrefler: Ganz sicher. In direkter Weise kann man natürlich manche Dinge, speziell Visionen, sehr gut mit 3D Animation umsetzen, weil ich dort keine direkten Grenzen spüre - die gibt es materiell einfach nicht. Auf der anderen Seite bedeutet das für mich selbst, diese unterschiedlichen Formen der Animation dazu zu verwenden, um für mich selbst ein Gesamtes zu schaffen. Der Wunsch ist ganz stark, Räume zu schaffen, ganze Räume, in denen diese unterschiedlichen Aspekte vielleicht meines persönlichen Ausdrucks Fuß fassen können. Das ist allerdings nichts anderes als ein Kanal. Ich sehe mich selbst als nichts anderes als einen Kanal. Mit einer gewissen Eingebung manifestiere ich das praktisch dann in der Materie oder sei es "nur" im Film.

Schaller: Biologen wird ein besonderes Gespür für die Umwelt nachgesagt, Künstlern ein besonderes Gespür sozusagen für die Natur oder die Bausubstanz der Gesellschaft oder des Menschen. Was bedeutet für Sie persönlich vor diesem Hintergrund Nachhaltigkeit?

Schrefler: Nachhaltigkeit bedeutet für mich an morgen zu denken. Den Zyklus des Lebens, der ja immer mit Geburt und Tod in Zusammenhang steht, mit Aufbau und mit Zerstörung, in einen weiteren Gleichklang zu bringen und harmonisch zu machen. Es bedeutet für mich eine gewisse Leichtigkeit, weil ich nicht jeden Tag alles zerstören und wieder aufbauen muss! Ich kann damit eine gewisse Leichtigkeit, ein Denken an Morgen entwickeln.

Schaller: Eine letzte Frage, wenn ein nachhaltiges Leben ein funktionierendes, ein gelungenes Leben ist, was bedeutet für Sie persönlich solch ein gelungenes Leben?

Schrefler: Für mich bedeutet ein sinnvolles Leben, dass ich jeden Tag mit dem, was ich denk, in Einklang stehe. Banal ausdrückt: wenn ich heute sterben müsste, dass ich genau das gemacht habe, was ich für wichtig gehalten habe und nicht irgend etwas anderes. Für mich persönlich bedeutet ein sinnvolles Leben auch Eigenverantwortlichkeit. Das heißt wirklich selbst zu entscheiden, was ich mach und auch selbst die Verantwortung dafür zu übernehmen und sie nicht abzuschieben. Nicht auf andere, nicht auf die Gesellschaft, sondern tatsächlich das zu tun, was direkt aus meinem Herzen heraus spricht.

Arbeiten von Klaus Schrefler:

 

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