/ Erschienen in der Wiener Kirchenzeitung am 14. November 2003

Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen am vergangenen Sonntag war ein klares demokratisches Nein zum Putschistengeneral Efrain Rios Montt.

Diese Wahlen polarisierten die Bevölkerung beängstigend, sie verschärften die ohnedies angespannte Situation. Nach dem ersten Durchgang erhielt die Partei des ehemaligen Putschistengenerals Efrain Rios Montt rund 18% der Stimmen, sie ist an 3. Stelle, in die Stichwahl am 28. Dezember werden Oscar Berger (37%) und Alvaro Colom (27%) einziehen. Auch wenn damit das "Gespenst" Rios Montt gebannt zu sein scheint, ist noch offen, ob seine Partei FRG die Niederlage eingesteht und friedlich die Macht abgibt. Bisher drohte die FRG, das Land im Fall einer Niederlage unregierbar zu machen.

 

36 Jahre Bürgerkrieg

In Guatemala gab es 36 Jahre lang Bürgerkrieg. Er wurde mit Friedensverhandlungen und der feierlichen Unterzeichnung des Friedensabkommens 1996 offiziell beendet, seit den 90er Jahren sind auch die Vereinten Nationen zur Überwachung des Friedensprozesses im Land. Zu Beginn der 80er Jahren fanden grausame Massaker statt, an denen der Präsidentschaftskandidat Efrain Rios Montt mit rund 20.000 Ermordeten massiv beteiligt war. Diese schrecklichen Ereignisse werden nun langsam aufgearbeitet: die Getöteten, die auf bisher geheimen Friedhöfen liegen, werden ausgegraben und identifiziert. Das bringt Beweise für die Anklage wegen Völkermord gegen Efrain Rios und General Lucas Garcia, die dafür verantwortlich waren. Die katholische Kirche hofft, dass die neue Regierung mehr Druck auf die Aufarbeitung der Vergangenheit setzt.

An der Spitze des Engagements für die arme Bevölkerung steht Bischof Alvaro Ramazzini aus San Marcos. Er hat bereits mehrmals Morddrohungen erhalten, läßt sich aber nicht von seinem Einsatz für Gerechtigkeit abhalten: er sieht sein Engagement als Auftrag des Evangeliums.

 

Keine Arbeit

In der Diözese San Marcos liegen große Kaffeefincas (Kaffeeplantagen von Großgrundbesitzern). Durch den Verfall des Kaffeepreises auf dem Weltmarkt haben viele Fincabesitzer die Produktion still gelegt und ihre Arbeiter entlassen. Das Menschenrechtsbüro der Diözese unterstützt diese Arbeiter, seine Rechtsanwälte leisten Rechtsbeistand und vertreten die Bauern vor Gericht, die Landpastoral hilft den Arbeitern beim Anbau von alternativen Produkten und die Caritas unterstützt sie mit Lebensmittel, um die unmittelbare Not zu lindern. Damit diese Arbeiter ihr Schicksal in die Hand nehmen können, helfen ihnen kirchliche Einrichtungen aus Österreich und aus anderen Ländern. Zur Zeit ist die Rechtsprechung vor allem von Willkür und der Korruption der Richter bestimmt, stabile politische Verhältnisse würden  helfen, der Korruption eine Ende zu bereiten und mehr Vertrauen in die Rechtsprechung zu bekommen.

 

Die ungleichen Brüder Rios Montt (Kasten)

Der eine Bruder, Efrain Rios Montt, ist ein ehemaliger General, der Anfang der 80er Jahre durch einen Putsch an die Macht kam, achtzehn Monate lang ein blutiges und grausames Regime führte, bevor er wegen geistiger Unzurechnungsfähigkeit seines Amtes enthoben wurde. Er versuchte nun auf demokratischem Weg, Präsident zu werden. Außerdem ist er charismatischer Prediger in der evangelikalen Sekte “El Verbo", die in Guatemala immer mehr Einfluß gewinnt.

Der andere Bruder, Mario Efrain Rios Montt, ist Weihbischof in der Hauptstadt und als solcher Vorsitzender des kirchlichen Menschenrechtsbüros. Er folgte in dieser Funktion Weihbischof Juan Gerardi nach, der 1998 wenige Tage nach der Veröffentlichung des kirchlichen Berichtes “Guatemala  niemals wieder" umgebracht wurde. Der Bericht beweist, dass 90 Prozent der Menschenrechtsverletzungen in der Zeit des Bürgerkriegs auf das Konto des Militärs gegangen sind und zehn Prozent auf das Konto der linksgerichteten Guerilla.

Gemeinsam haben sie elf weitere Geschwister und ihr Verhältnis ist laut Weihbischof Rios Montt “sehr gut". Doch in der Aufarbeitung der Massaker und ihrer Verantwortlichen stößt der Weihbischof immer wieder auf einen Namen, der ihm vertraut ist: den, seines Bruders Efrain Rios Montt.