- die Krise geht weiter! / Erschienen in Neues Land, 14. November 2003

Guatemala ist reich an Kultur und an fruchtbarem Boden. Guatemala ist aber auch ein unterdrücktes Land, in dem die indianische Bevölkerungsmehrheit seit langer Zeit von Mitbestimmung und Mitgestaltung ausgeschlossen ist. Abseits der imposanten Maya-Ausgrabungen ist Guatemala vor allem für seine landwirtschaftlichen Produkte bekannt - der guatemaltekische Hochlandkaffee gehört zu den besten Kaffeesorten weltweit. Aber auch Zuckerrohr und vor allem Bananen werden bei uns nachgefragt.

Die landwirtschaftliche Produktion erfolgt großteils auf den Fincas der Großgrundbesitzer - wenige Familien besitzen den größten Teil des Landes. Die Mehrheit der Bevölkerung ist arm und muß unter oft menschenunwürdigen Bedingungen leben. Ansätze zur Lösung der Landfrage wie eine umfassende Landreform sind verpönt: 1954 wurde der reformorientierte Präsident Arbenz, der eine Landreform durchführen wollte, mit Hilfe des amerikanischen Geheimdienstes CIA aus seinem Amt vertrieben - die amerikanische United Fruit Company (heute Chiquita) hatte ihren Einfluß in Washington geltend gemacht! Seit damals gibt es keine großen Reformanstrengungen mehr.

Die Mehrheit der indianischen Bevölkerung lebt auf kleinen Grundstücken im Hochland Guatemalas. Pro Familie stehen oft nur drei bis vierhundert Quadratmeter zu Verfügung, auf denen Gemüse und Blumen für den Markt in der Hauptstadt angebaut werden.

Die Landwirtschaft ist durch zwei Gruppen geprägt: durch die Großgrundbesitzer, die ihre Fincas vor allem in den Küstenregionen und in den Übergangszonen mit Landarbeitern bewirtschaften, und durch die Kleinbauern, die schwer zu bewirtschaftende Flächen im Hochland bebauen. Beide wurden von dem weltweiten Verfall der Kaffeepreise und dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA hart getroffen.

In den letzten Jahren ist der Kaffeepreis weltweit abgestürzt, vielfach wird dafür der Einstieg Südostasiens in den Kaffeeanbau als Grund angegeben. Von US-$ 180,-- vor drei Jahren ist der Preis auf rund US-$ 60,-- pro Sack Kaffee gesunken. Selbst die Handelsorganisation fair trade, die ihren Kaffeebauern über die Ausschaltung der Zwischenhändler einen höheren Preis zahlt, mußte ihre Ankaufpreise von US-$ 180 auf US-$ 120,-- reduzieren. Die Leidtragenden dieser Entwicklung sind vor allem die Kleinbauern, die Kaffee anbauen und die Arbeiter auf den großen Kaffeeplantagen. Viele Arbeiter wurden entlassen oder es wurde ihnen der Lohn gekürzt. Statt des gesetzlichen Mindestlohnes von US-$ 4,-- pro Tag erhielten viele in den letzten Jahren überhaupt nur einen Dollar, zu wenig, um davon eine Familie zu ernähren. Nach dem Verlust der Arbeit müssen die Plantagenarbeiter nun auch um ihre Wohnungen zittern, die in der Regel ihren Arbeitgebern gehören. Die Großgrundbesitzer hingegen "sitzen" die Krise aus: sie stellen die Produktion auf weniger arbeitsintensive Pflanzen um oder leben von den Zinsen, die ihre Konten im Ausland abwerfen.

Ähnlich dramatisch ist die Situation für die Kleinbauern im Hochland. Der Anbau von Gemüse, Zwiebeln, Karotten und anderen Pflanzen hat bisher für das Überleben gereicht. Durch das Freihandelsabkommens NAFTA wurden die Grenzen zu Mexiko geöffnet: Lebensmittel aus Mexiko und den USA kommen aufgrund der Stützungen deutlich billiger als guatemaltekische Produkte auf den lokalen Markt. Menschen, die bisher gerade überleben konnten, wird dadurch ihre bescheidene Existenzgrundlage entzogen.

Guatemala hat vor wenigen Tagen gewählt, die Zukunftsperspektive ist für die Mehrheit der Bevölkerung nicht besonders rosig. Einer der Präsidentschaftskandidaten war General Efrain Rios Montt. Er ist 1982 durch einen Putsch an die Macht gekommen, in eineinhalb Jahren fielen ihm bei Massakern 20.000 Menschen zum Opfer. Trotz massiver Versuche im Vorfeld, durch Stimmenkauf die Mehrheit zu bekommen, erhielt er nur 18 % der Stimmen. In der Stichwahl um das Amt des Präsidenten, die am 28. Dezember durchgeführt wird, stehen einander mit Oscar Berger (37% der Stimmen) und Alvaro Colom (27%) zwei Kandidaten der Oligarchie gegenüber. Von keinem der beiden ist eine Lösung der wichtigsten Probleme Guatemalas zu erwarten. Die schwierige Situation wird in Guatemala für weitere vier Jahre prolongiert.

 

Wider das Vergessen!

In der Steiermark haben sich in den letzten Wochen kirchliche und nicht kirchliche Organisationen zur Guatemala Plattform Steiermark zusammengeschlossen, um gemeinsam Guatemala wieder stärker ins Bewußtsein der Menschen zu rufen. Unmittelbar vor den Wahlen am 9. November informierten sie in einer Straßenaktion vor der Grazer Stadtpfarrkirche über die Situation in Guatemala. Die Theatergruppe Asou stellte szenisch die Unterdrückung dar, der die Menschen unter General Efrain Rios Montt ausgesetzt waren.

 

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