".... dann ist der Papst ein Kommunist" - Welthaus unterstützt die Menschenrechtsarbeit in Guatemala / erschienen im Sonntagsblatt am 4. Jänner 2004

Die Diözese San Marcos ist eine der kleinsten Diözesen Guatemalas. Sie liegt im Nordwesten des Landes an der Grenze zu Mexiko und erstreckt sich vom Tiefland an der Pazifikküste bis auf dreitausend Meter Höhe. Die Menschen leben zu einem großen Teil von der Landwirtschaft - als Kleinbauern, die ihre Parzellen unter großen Anstrengungen bebauen, oder als Landarbeiter, die auf einer der Rinder-, Kaffee- oder Kautschukplantagen arbeiten, die sich der Küste entlang erstrecken. Auf zwei- bis zweieinhalbtausend Meter stößt man auf Landschaften, die an die Steiermark erinnern: Almähnliche Grünlandflächen, Schafherden mit ihren Hirten, vereinzelte Kühe auf den Weiden.

Zu Bischof Alavaro Ramazzini und seiner Diözese gibt es seit Jahren sehr enge Kontakte von unserer Diözese. Das Welthaus der Diözese Graz-Seckau unterstützt das Menschenrechtsprogramm von San Marcos in vier Bereichen: im Bereich der Menschenrechtsarbeit, wo die Menschen über ihre Recht aufgeklärt werden; im juristischen Bereich, wo die Menschen bei Gerichtsfällen unterstützt werden; im Bereich der Dokumentation, wo Menschenrechtsverletzungen dokumentiert werden und im Bereich der Arbeit mit Migranten.

Die Diözese befindet sich in einer der ärmsten Regionen des Landes. Ungefähr 80% der Bevölkerung leben in Armut, ein großer Teil in extremer Armut. Neben der Caritas, die die ärmsten Menschen mit Lebensmitteln und Kleidung versorgt, ist vor allem die Rechtsberatung Hilfe im Sinn Jesu Christi: "was ihr dem Geringsten meiner Brüder habt getan, das habt ihr mir getan!"

Einen typischen Konfliktfall stellt die Kaffeeplantage San Jeronimo dar. Aufgrund des niedrigen Weltmarktpreises hat der Eigentümer der Kaffeeplantage im Herbst 2002 die Produktion eingestellt. Im September 2002 hat er seinen Arbeitern das letzte Mal ihren Lohn ausbezahlt, wobei er nicht den gesetzlichen Mindestlohn von ca. US-$ 4 pro Tag bezahlt hat, sondern über lange Zeit nur 1 US-$ pro Tag, zu wenig zum Überleben der Landarbeiter mit ihren Familien. Nach der Einstellung der Zahlungen haben die Landarbeiter noch einige Monate in der Hoffnung weiter gearbeitet, doch noch ihr Geld zu bekommen. Nun prozessieren sie mit Unterstützung eines diözesanen Rechtsanwaltes beim Arbeitsgericht, um endlich ihre ausstehenden Löhne zu bekommen.

Matias Vazquez ist einer der Arbeiter von San Jeronimo und er bricht in Tränen aus, als er seine Geschichte erzählt. Mit dem Kampf um seinen Lohn muß er fürchten, seine Wohnung und damit seine Heimat zu verlieren. Seit der Kindheit lebt er auf San Jeronimo, wo auch schon seine Eltern gelebt haben. Ohne Unterstützung vom Menschenrechtsprogramm hätten er und seine Kollegen keine Möglichkeit, zu ihrem Recht zu kommen.

Das vom Welthaus unterstützte Menschenrechtsprogramm ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Dienst am Nächsten: es setzt bei den Menschen an, die sonst nur wenig Chancen auf gerechte Lebensbedingungen hätten.

 

Im Gespräch: Alvaro Ramazzini

Bischof Ramazzini kennt die Probleme in seiner Diözese. Immer wieder besucht er die Menschen in den Dörfern und auf den Plantagen und informiert sich persönlich über ihre Situation. Er behält seiner Erfahrungen aber nicht für sich: in der täglichen Morgenansprache, die über den kirchlichen Radiosender ausgestrahlt wird, in den Predigten und in den Vorträgen, die er rund um die Welt hält, vor allem aber auch als Verantwortlicher der guatemaltekischen Bischofskonferenz für das Landthema und die Frage der Migration nimmt er sich kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, Unrecht anzuprangern.

Er hält sich dabei an das Wort eines früheren Bischofs: Wenn es Kommunismus ist, sich für die Armen einzusetzen und einen ungerechten Lohn zu kritisieren, dann ist auch der Papst ein Kommunist!

Im Auftrag der guatemaltekischen Bischofskonferenz bringt er immer wieder die Landreform ins Gespräch, die in Guatemala seit dem von den USA unterstützten Umsturz im Jahr 1954 ein Tabu-Thema ist. Er sieht darin die einzige Chance, vor allem jungen Menschen in Guatemala eine Perspektive für eine gerechte Zukunft zu bieten, in der sie Chancen auf die Entwicklung ihres eigenen Lebens haben. Sein Engagement für Menschenrechte und für eine umfassende Landreform ist nicht ungefährlich: im letzten Jahr wurde das Menschenrechtsbüro der Diözese zerstört und verwüstet, Mitarbeiter des Büros wurden bedroht und auch Bischof Ramazzini hat im letzten Jahr massive Morddrohungen erhalten. Öffentliche Unterstützung, wie er sie in dieser Situation auch von Österreich bekommen hat, trägt dazu bei, sein Leben zu schützen.

Eine Garantie ist diese Unterstützung in einem Land wie Guatemala allerdings nicht: 1998 wurde Weihbischof Juan Gerardi, der Vorsitzende des kirchlichen Menschenrechtsbüros wenige Tage, nachdem er einen kirchlichen Bericht über die Menschenrechtsverletzungen in der Zeit der Militärdiktatur veröffentlicht hat, grausam umgebracht. Die Verantwortlichen für die damalige Bluttat sind bis heute noch nicht rechtskräftig verurteilt...

Bischof Ramazzini bezieht sich in seinem Engagement auf das Evangelium: er erklärt immer wieder, dass es die Option Jesu Christi war, sich um die ärmsten Menschen zu kümmern - dieser Auftrag gilt für ihn heute noch!

 

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