- Global Marshall Plan

Der gebürtige Steirer Mag. Klemens Riegler ist ausgebildeter Psychologe mit dem Schwerpunkt Wirtschaft. Bereits während des Studiums war er in der Unternehmensberatung mit dem Schwerpunkt Personal tätig, neben dem Beruf war er immer ehrenamtlich tätig, in der Global Marshallplan Initiative ist er seit deren Gründung 2003 aktiv. Mit der Zunahme der Aufgaben wechselte er 2005 in das Ökosoziale Forum Europa nach Wien, wo er für die Koordination des Global Marshall Planes in Österreich mit Blickpunkt Brüssel und europäische Institutionen verantwortlich war, bevor er im Herbst 2007 als Nachfolger von Prof. Ernst Schreiber Geschäftsführer des Ökosozialen Forums und des Global Marshall Plans wurde. Präsident des Ökosozialen Forums ist der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler, mit dem er die Themen des Global Marshall Plans in Europa vorantreibt.

Global Marshallplan als Projekt der Hoffnung

Der Global Marshall Plan ist für Klemens Riegler ein „Projekt der Hoffnung“, das seine Wurzeln - wie der Name schon sagt – im Wiederaufbau Europas nach dem II. Weltkrieg hat. „Wir feiern heuer das sechzigjährige Jubiläum des Marshall Planes, der auf George Marshall zurückgeht. Auch wenn man die Situation von Europa damals und die Situation in Afrika oder in lateinamerikanischen Entwicklungsländern heute nicht miteinander vergleichen kann, gibt es ein Grundprinzip, das uns Vorbild ist. Amerika war über eine Zeit lang bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Die USA haben ungefähr 1,4 % ihres Bruttoinlandsproduktes dazu verwendet, um Projekte, um Themen in Europa zu finanzieren und damit den Wiederaufbau zu finanzieren - das erfolgte auch mit einem Eigennutzen. Ausgehend von diesem Grundprinzip ist für uns der Global Marshall Plan so etwas wie ein Projekt der Hoffnung. Dieses Grundprinzip, das Europa wieder Hoffnung gegeben hat, wollen wir sozusagen auf eine globale Ebene übertragen. Deswegen wählten wir den Begriff Global Marshall Plan mit der Idee, dass die Industriestaaten heute etwas Ähnliches leisten müssen wie das, was Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg für Europa geleistet hat.“

Für Klemens Riegler ist der Global Marshall Plan auch der Versuch, eine kohärente europäische Politik auf die Beine zu stellen: „Es geht beim Global Marshall Plan darum, das Prinzip der EU-Erweiterung auf eine internationale Ebene zu bringen. Auf der einen Seite benötigen wir mehr Geld für Kofinanzierung im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit. Auf der anderen Seite soll an dieses Mehr an Geld an die Implementierung von globalen sozialen und ökologischen Standards gekoppelt werden. Dies funktioniert ähnlich wie die EU-Erweiterung, wenn ein neues Land zur EU kommt. Das Beitrittsland erhält über die Strukturförderung Fördermittel, dafür ist es aber bereit, einen gemeinsamen Rechtsbestand zu akzeptieren.“

Mit dem Global Marshall Plan sollen in den so genannten Entwicklungsländern soziale und ökologische Standards implementiert werden. „Das sind aber keine Standards, die Europa oder wir als Initiative den Entwicklungsländern „aufs Auge drücken“, sondern es geht um Standards, die einen internationalen Konsens haben oder bereits innerhalb der UNO existieren. Es sind Umweltstandards oder die Arbeitsstandards der internationalen Arbeitsorganisation ILO, die bislang noch nicht umgesetzt wurden.“

Gegenmodell der Globalisierung

Der Global Marshall Plan versteht sich als Gegenmodell für eine Form der Globalisierung, die derzeit vor allem von den USA betrieben wird. Europa ist aus Sicht von Klemens Riegler derzeit kein wirklicher Gegenspieler zu dieser Globalisierung, sondern es lässt sich zu sehr mitreißen. Für Klemens Riegler zeigt Jeremy Rifkin in seinem Buch „Der europäische Traum“ auf, wie es gehen könnte. Rifkin sieht den „amerikanischen Traum“ am absteigenden Ast und ermuntert Europa, mit dem „europäischen Traum“ ein Gegenmodell zu etablieren. Europa habe, so Rifkin, bei allen noch existierenden Fehlern die humanste Form des Kapitalismus geschaffen. „Der Global Marshall Plan hat daher bewusst die Zielsetzung, eine weltweite ökosoziale Marktwirtschaft zu implementieren, das ist eine Mar ktwirtschaft, die sowohl ökologisch als auch sozial abgefedert ist und entsprechende wirtschaftliche Zielsetzungen verfolgt“, betont Klemens Riegler.

Im Zusammenhang mit der Umsetzung des Global Marshall Planes stellt sich die Frage nach Kosten und Finanzierung. Auch hier gibt es eine Anlehnung an den Marshall Plan, bei dem die USA jahrelang 1,4% ihres Bruttoinlandsproduktes quasi als „Geschenk“ investiert haben - die damaligen Gelder sind in Europa bis heute im ERP Fonds präsent. Der Global Marshall Plan hat sich der Forderung vieler NGOs angeschlossen, dass Österreich endlich 0,7 % seines Bruttoinlandproduktes für Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellt. Riegler dazu: „ Faktum ist, dass wir weit hinter dieser Zielsetzungen zurück liegen. Sie wird in Europa nur von einigen nördlichen Länder erfüllt, die sie zum Teil auch schon übererfüllen. Österreich spielt als „Europameister im Zahlentricksen“ eine sehr unrühmliche Rolle. Vor kurzer Zeit haben die europäischen entwicklungspolitischen Organisationen einen Bericht veröffentlicht, in dem das Problem klar aufgezeigt wird. In Österreich macht die Entschuldung 59% des gesamten Entwicklungshilfebudgets aus. Effektiv wird für Entwicklungshilfe oder Entwicklungszusammenarbeit derzeit nur 0,2% ausgegeben, der Rest sind Stipendien oder andere Finanzierungsinstrumente.“

Bei der Definition finanzieller Ziele hängt sich der Global Marshall Plan an Berechnungen an, die von der UNO und anderen maßgeblichen Organisationen artikuliert wurden. „0,7% des Bruttoinlandsproduktes der Industriestaaten wären ausreichend, um einen ersten Schritt in Richtung einer gerechteren Welt zu finanzieren, in der die Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen realisiert werden. Es ist unser Ziel, dass dieses Versprechen der 0,7%, das in der Zwischenzeit 35 Jahre jetzt alt ist, endlich erfüllt wird. Wir sehen dazu zwei Wege: Der eine Weg ist die klare Forderung an unsere Regierungen, dieses Ziel zu erfüllen. Wir wissen aber, dass dies bei den derzeit angespannten Staatshaushalten schwierig ist oder politisch nicht gemacht wird. Wir setzen daher stark auf alternative Finanzierungsinstrumente wie eine Devisentransaktionssteuer oder eine Besteuerung auf Kerosin. Die Gelder, die dabei zustande kommen, sollen dazu verwenden werden, um den Global Marshall Plan zu finanzieren.“

Die fünf Bausteine des Global Marshallplanes

Die Ziele des Global Marshall Planes fasst Riegler zu fünf Bausteinen zusammen: „Die erste Zielsetzung ist klar. Wir fordern eine Unterstützung der UNO-Millenniumsziele, sie sollen bis zum Jahr 2015 erreicht werden. Nach dem derzeitigem Stand sind wir in vielen Regionen vor allem in Subsahara-Afrika noch weit davon entfernt. Wir reihen uns unter die anderen zivilgesellschaftlichen Akteure ein, die von den Regierungen die Einhaltung dieses Versprechens einfordern – es wurde ja von allen Regierungen im Jahr 2000 unterschrieben.

Um die Millenniums-Entwicklungsziele zu finanzieren, braucht es Geld. Es gibt Schätzungen der UNO, von George Soros und von Gordon Brown, dass eine Summe von ungefähr $ 100,000.000.000,-- zusätzlich notwendig wäre, um diese Ziele zu finanzieren. Unsere Forderung, diese Gelder bereit zu stellen, ist der zweite Baustein des Global Marshall Planes.

Zur Finanzierung der Millenniums-Entwicklungsziele plädieren wir – und das wäre unser dritter Baustein – zur Nutzung alternativer Finanzierungsinstrumente. Das wäre zum Beispiel eine Devisentransaktions- oder andere Finanztransaktionssteuern oder auch eine Steuer auf Kerosin. Österreich könnte als ersten Schritt endlich die Flugticketabgabe einführen, wie dies zum Beispiel Frankreich und Luxemburg schon getan haben. Hier ist kein europäischer Konsens notwendig.

Der vierte Baustein ist einer der wesentlichsten. Wir wissen, dass es letztendlich nicht mit mehr Geld getan ist, sondern dass dies nur ein kleiner Zwischenschritt ist. Wichtig sind neue politische, neue wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen. Bei diesem vierten Baustein geht es darum, dass wir dieses Mehr an Geld an die Etablierung von sozialen und ökologischen Kriterien koppeln. Das wäre für uns der erste Schritt in Richtung einer Ökosozialen Marktwirtschaft, also einer Marktwirtschaft, die sozialen und ökologischen Kriterien entspricht. Dabei geht es um eine bessere Vernetzung und eine Kohärenz zwischen den internationalen Organisationen, wie UNO und vor allem WTO. Hier haben wir aus meiner Sicht derzeit eine verrückte Situation. Auf der einen Seite formuliert die UNO wunderschöne Zielsetzungen, die sich manchmal fast wie Zitate aus der Bibel anhören, auf der anderen Seite haben wir eine WTO, die genau die Einhaltung dieser Kriterien oder Standards konterkariert. Das heißt, wir brauchen mehr Kohärenz. Das ist irgendwie der wesentliche Baustein und wir glauben, dass wir das mit einem Mehr an Finanzierung erreichen können.

Der fünfte und letzte Baustein ist aber, dass wir auch eine neuartige Form der Mittelverwendung brauchen. Dafür gibt es in der letzten Zeit schon sehr gute Ansätze. Ich denke an das Thema Mikrokredite, für die Mohammed Yunus im letzten Jahr den Nobelpreis erhalten hat. Wir glauben, dass die Mittelverwendung an die Bekämpfung von Korruption, an good governance gekoppelt sein muss. Aus unserer Sicht fehlt diese Partnerschaft der Industriestaaten mit den Entwicklungsländern auf gleicher Augenhöhe. Man merkt noch immer dieses „von oben herab“ oder das „über den Tisch ziehen Wollen“. Dieser fünfte Baustein ist ein wesentlicher Aspekt, weil es um eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Akteuren geht.“

Das Netzwerk ist eine Stärke des Global Marshall Planes

Für Klemens Riegler liegt in der Organisationsform eine der Stärken des Global Marshall Planes. „Wir sind ein Netzwerk, ein loser Verband, in dem jeder Partner seine eigene Rolle spielt, seine eigenen Ziele verfolgt und das Thema Global Marshall Plan in seine Aktivitäten integriert. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass das Thema auf den Boden kommt.“ Unterstützung erhält der Global Marshall Plan auf vielen Ebenen. Es sind Bundesländer und Regionen wie Südtirol oder der Trentino in Italien, die einen Beschluss zu diesem Thema gefasst haben. Für Riegler wächst damit der Druck von unten, diese Themen auf eine höhere Ebene zu bringen: „Es ist unser Ziel, dass der Global Marshall Plan Teil der offiziellen, europäischen Politik wird. Das haben wir noch lange nicht erreicht und auch unsere erste Zielsetzung, dies über die europäische Kommission direkt zu erreichen, ist nicht in dieser Form aufgegangen. Durch das Netzwerk der Partner wächst aber der Druck von unten, so dass wir hoffen, dass die Politik diese Bemühungen aufnimmt.“

Die Akteure reichen von Privatpersonen über die derzeit regionalen Regierungen oder Landtage, die Szene der NGOs bis hin zu unterschiedlichen Verbänden. Mitglieder sind Umwelt-NGOs wie der österreichische Umweltdachverband, entwicklungspolitischen NGOs wie die Koordinierungsstelle der österreichischen Bischofskonferenz oder auch wirtschaftliche Verbänden. Riegler sieht in der Vielfalt der Akteure eine Stärke der Initiative: „Uns wird manchmal der Vorwurf gemacht, dass wir inhaltlich noch zu wenig konkret und zu wenig in der Tiefe sind. Uns war es aber von Anfang an ein Anliegen, ein breites Netzwerk zu bilden. Wir wissen, dass es unmöglich ist, so etwas wie einen Global Marshall Plan auf den Boden zu bringen, wenn man zum Beispiel die Wirtschaft nicht mit im Boot hat. In der Wirtschaft gibt es viele Kräfte, die Interesse daran haben, dass die Globalisierung anders gestaltet wird und dass es zu einer ökosozialen Marktwirtschaft kommt. So setzt sich dieses Netzwerk aus derzeit regionalen Regierungen, etlichen NGOs, teilweise auch Gemeinden, Kommunen oder Regionen und eben Einzelpersonen zusammen. Jeder kann etwas dazu beitragen. Als Einzelperson kann man Informationsmaterial weiter geben, Vorträge organisieren oder sein persönliches Verhalten dementsprechend ausrichten. Als Organisation kann man in seinem eigenen Netzwerk viel realisieren und das Thema in unterschiedliche Projekte oder Aktivitäten einbringen. Sehr viel läuft zum Beispiel in Oberösterreich, das als erstes Bundesland den Entschluss gefasst hat, den Global Marshall Plan zu unterstützen. Hier ist es gelungen, diese Dimension in vielen bereits laufenden regionalen Initiativen noch stärker einzubringen.“

Auf eine persönliche Definition der Nachhaltigkeit angesprochen, gibt Klemens Riegler folgende Erläuterung ab: „Ich verstehe Nachhaltigkeit so, dass wir so leben, dass auch die Generationen nach uns noch solche Bedingungen vorfinden, wie wir sie für uns wünschen würden oder - wie es die Indianer formulieren, dass wir uns in unserem Handeln so verhalten, dass wir auch noch an die siebente Generation nach uns denken. Mir gelingt dies auch nicht immer, aber ich schaue schon, dass ich immer mehr in diese Richtung agiere, damit ich mich selber im Spiegel anschauen und auch meinen Kindern getrost in die Augen schauen kann.“

Der Global Marshall Plan steht für Riegler im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit: „Für uns ist der Global Marshall Plan ein Schritt in Richtung direkte Nachhaltigkeit. Der Global Marshall Plan ist noch keine „endgültige Lösung“, sondern ein erster Schritt. Er ist in einem Zeithorizont von 10, 15 Jahren machbar. Es ist aber sicher noch nicht so, dass wir dann, wenn der Global Marshall Plan verwirklicht ist, bereits Rahmenbedingungen haben, bei denen wir Probleme nur mehr abhaken brauchen. Für uns ist klar, dass der Global Marshall Plan ein Schritt in Richtung Nachhaltigkeitspolitik, ein Schritt in Richtung gelebte Nachhaltigkeit ist.“

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