/ Petra Rivoli, Econ-Verlag 2006; ISBN-13: 978-3-430-17765-8

Active Image"Wie eine Studentendemo eine Professorin auf Weltreise schickte“ – so beginnt das Vorwort zu einem sehr gut recherchierten, teilweise sehr spannenden, stellenweise langatmigen Buch, das die US-amerikanische Professorin Pietra Rivoli geschrieben hat. Die Frage „Wer hat dein T-Shirt gemacht?“, die eine junge Frau an der Georgetown-University in Washington 1999 stellte, führte dazu, dass sich Pietra Rivoli dazu entschloss, in den folgenden Jahren um die Welt zu reisen und der Herstellung eines T-Shirts nachzuforschen. Ihre Reise führte über drei Kontinente und tausende Kilometer, sie recherchierte vor Ort und führte unzählige Gespräche mit den Menschen, die an der Produktion beteiligt waren. Ihre Reise und Recherche beginnt im Frühjahr 1999 in Fort Lauterdale/Florida, wo sie ein weißes T-Shirt mit einem knallbunt aufgedrucktem Papagei um US-$ 5,99 ersteht. Die nachfolgende Recherche führt sie nach Texas, wo die Baumwolle angebaut wird. Von dort wird die Baumwolle über LKW oder Zug nach Kalifornien transportiert und nach Shanghai verschifft, zu Garn versponnen, zu Stoff gewebt, in Stücke geschnitten und zu T-Shirts vernäht. Von Shanghai aus werden Container voll T-Shirts wieder über den Pazifik geschickt, bevor sie den Panamakanal passieren und in Miami landen, dort bedruckt und weiter verarbeitet werden. Die T-Shirts werden dann an die Händler ausgeliefert und landen schließlich bei den Kunden. Es gibt aber auch ein Leben nach dem Leben, wie Rivoli mit Liebe zum Detail erläutert. In Washington werden von der Heilsarmee Altkleider gesammelt, die dann wieder die Reise um die Welt antreten. In diesem Fall über New York bis nach Tansania in Afrika, wo am Markt von Daressalam gebrauchte Kleidung angeboten wird.

Pietra Rivoli hat die Reise ihres T-Shirts ausführlich recherchiert und dabei auch die Menschen porträtiert, die auf den verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette beteiligt sind. Als Wirtschaftsprofessorin erläutert sie das dahinterstehende wirtschaftspolitische System samt der Industriegeschichte der letzten zwei Jahrhunderte, die sehr eng mit der Textilindustrie verbunden ist. Hier liegt sicherlich die große Stärke des Buches, auch wenn es über viele Passagen ein wenig langatmig ist. Eine Schwäche des Buches ist dort, wo Pietra Rivoli mit einem Seitenhieb auf die Globalisierungskritiker die Arbeitssituation von Jiang Lan in Shanghai beschreibt, einer jungen Frau, die sechs Tage in der Woche acht Stunden pro Tag für US-$ 100 pro Monat arbeitet. Sie setzt das Schicksal von Jiang Lan in einen zweifachen Kontext. In den Kontext von Textil- bzw. Industriearbeiterinnen zu Beginn der Industrialisierung und in den Kontext von Frauen, die durch die – selbstgewählte - Arbeit in den Textilfabriken der wesentlich schlimmeren Situation am Land entfliehen können. Die Lebenssituation dieser Frau wird fast romantisierend dargestellt und das, was man über die Clean-Clothes-Kampagne kennt (Arbeit unter menschenunwürdigen, fast sklavenähnlichen Bedingungen) wird nur am Rande angeführt – nach dem Motto „das gibt es auch, dieser Frau geht es aber besser“ bzw. im Schlusswort nochmals mit Hinweis auf die Olympischen Spiele 2004 erwähnt, bei denen eine breite Koalition von Aktivistengruppen „gegen multinationale Sportartikelhersteller und die angeblich in ihren Fabriken herrschenden Sweatshop-Bedingungen protestierte“ (S. 306).

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass dieses Buch einen sehr guten, fundierten Einblick in die Problematik der globalen Wirtschaft gibt, die einerseits der freien, globalen Marktwirtschaft anhängt und andererseits immer wieder durch politische Zugeständnisse – hier vor allem im Bereich der amerikanische Textilindustrie - konterkariert wird. Das Buch ist lesenswert, bietet sehr viel Hintergrundinformationen und kann empfohlen werden - nicht umsonst zählt es in den USA zu den besten Business-Büchern des Jahres 2005, auch wenn die Einschätzung der New York Times, dass es die „Anlagen eines Wirtschaftsklassikers“ hat und der Untertitel „Ein Alltagsprodukt erklärt die Weltwirtschaft“, zu hoch gegriffen sind.

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