Thomas Seifert, Klaus Werner; Verlag Deuticke, Wien 2005; ISBN 3-552-06023-5

Thomas Seifert lebt und arbeitet als Journalist für das österreichische Magazin News, für das er an alle Krisenherde der Welt reist und immer wieder spannende Reportagen schreibt. Klaus Werner hingegen lebt und arbeitet als Journalist und darstellender Künstler in Rio de Janeiro und ist Mitautor des vor einigen Jahren erschienen Globalisierungsbestellers "Das neue Schwarzbuch Markenfirmen".

Gemeinsam haben sie im 2005 das "Schwarzbuch Öl" herausgebracht, das als Sachbuch über Wochen auf den Bestsellerlisten war. Die beiden Autoren zeichnen in ihrem Schwarzbuch akribisch eine konfliktreiche Geschichte des "schwarzen Goldes", das die Welt seit mehr als hundertfünfzig Jahren in Atem hält: Norwegen stellt eine der wenigen Ausnahmen dar. Es hat im Gegensatz zu anderen Ländern seine Öleinnahmen in einen Zukunftsfonds investiert. Sonst führt die Entdeckung von Öl meist zu einer Entwicklung, bei der die Explorationsfirmen große Gewinne machen und die Bevölkerung leer ausgeht; Korruption und Bereicherung sind die Konsequenz in vielen Ländern.

 

Länder mit großen Öl- und Gasvorkommen gaben ihre landwirtschaftliche Produktion auf und vernachlässigten ihre industrielle Entwicklung - Verarmung und Unterernährung sind die Folge. Die Aussicht auf Öl und die Sicherung des Zugangs zu Öl schürt militärisches Aufrüsten und Konflikte. Claims werden langfristig abgesteckt, um auch noch in Jahrzehnten zu Öl zu kommen. Wie sich bei den Kriegen am persischen Golf gezeigt hat, werden Länder und Regionen mit großen Ölvorkommen zum Mittelpunkt der Interessen der großen Wirtschaftsmächte.

Staaten mit großen Ölvorkommen haben in der Regel eine niedrige Steuerquote - und damit auch weniger Mitsprachemöglichkeiten der Bevölkerung als Staaten, die ihren steuerzahlenden Bürgern Rechenschaft über die Steuereinnahmen ablegen (müssen).

Die Gewinnung des schwarzen Goldes ist mit großen Umweltbelastungen verbunden und die Verbrennung trägt zum Treibhauseffekt bei. Dieser wird sich dramtisch verschärfen, sollten China und Indien sich auf das Verbrauchsniveau von Europa oder Nordamerika zubewegen.

Die meisten Industrieländer sind extrem abhängig von Ölimporten. Politische Krisen und steigende Ölpreise haben eine unvorhersehbare Dynamik und dramatische Auswirkungen auf die Volkswirtschaften.

Das Bild, das die beiden Autoren zeichnen, ist bedrückend und ernüchternd. Wer sich bis zum Lesen des Buches in Sicherheit gewogen hat, dass die (Wirtschafts-)Entwicklung im reichen Westeuropa wie gehabt weitergeht, sollte sich allmählich eine Änderung des persönlichen Konsumverhaltens überlegen. Wer in den ersten Tagen des Jahres 2006 schon die eine oder andere Maßnahme für einen sparsameren Umgang mit dem nicht erneuerbaren Energieträger Öl getroffen hat (kleineres Autos, angepasste Fahrweise, Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel, Heizung mit erneuerbarer Energie etc.), fühlt sich in seinen Handlungen zumindest bestätigt, auch wenn der Einfluss seiner Entscheidungen auf die weitere Entwicklung der Welt vielleicht nicht besonders groß ist.

Kommentar

So ausführlich (und erschreckend) die Vergangenheit gezeichnet wird und so plakativ mögliche Schreckenszenarien an die Wand gemalt werden, so kurz kommen die Ausstiegsszenarien und Alternativen. Pinselten die Autoren die vergangenen Entwicklungen und Schreckensszenarien mit einem breiten Malerpinsel, so entsprechen die aufgezeigten Alternativen einem feinen Bleistiftstrich, der vor dem kräftig dunklen Hintergrund kaum zu erkennen ist. Darin liegt auch die Schwäche des ansonsten spannenden und bedrückenden Buches: die Ausführung der Ausstiegsszenarien und nachhaltige Perspektiven wären mindestens so spannend zu lesen gewesen, hätten aber vielleicht nicht so viele Leser bekommen wie die Horrorszenarien. Auch die "lessons learned" oder die Kursänderungen von großen Unternehmen werden eher nur am Rande erwähnt und fast als "Feigenblatt" dargestellt: dass BP seinen Namen geändert hat (aus "British Petrol" wurde "beyond petrol" - ein Hinweis auf die Zeit nach dem Öl), in die Erforschung und den Ausbau alternativer Energieformen investiert und ein Transparenzabkommen unterzeichnet hat ("publish what you pay") wird ebenso kurz abgehandelt wie die Konsequenzen, die die österreichische OMV gezogen hat, die sich aus dem (blutigen) Sudangeschäft zurückgezogen hat.

Während des Schreibens dieser Zeilen wurde der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine um die Erdgaslieferungen der Gazprom für wer weiß wie lange beendet. Die kurze Sorge um die Versorgungssicherheit ist bei vielen wieder einem falschen Gefühl der Sicherheit gewichen. Möge dieses Buch beim einen oder anderen Leser dazu führen, das Mobilitätsverhalten und den Umgang mit (nicht erneuerbarer) Energie zu überdenken und Schritte in Richtung Nachhaltigkeit zu setzen! Dann war es auf jeden Fall wert, gelesen zu werden! Es wäre zu wünschen, dass nach dem "Schwarzbuch Öl" ein "Weißbuch erneuerbare Energie" heraus kommt!


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