Bartholomäus Grill, Goldmann-Verlag, 2. Auflage April 2005,  ISBN-10: 3-442-15337-9 bzw. ISBN-13: 978-3-442-15337-4

Bartholomäus Grill ist Afrika-Kenner. Aus Bayern stammend, wurde er 1993 von der deutschen Wochenzeitung "Die Zeit" als Korrespondent nach Afrika geschickt. Seit damals bereist er den "schwarzen Kontinent" und berichtet in Reportagen für "Die Zeit" und "Geo" von diesem Kontinent.

In zwölf Kapiteln, die unter anderem vom Völkermord in Ruanda, den katastrophalen Auswirkungen von AIDS, den späten Folgen des Sklavenhandels und anderen "klassischen" Afrikathemen handeln, die viele Europäer zuerst mit die sem Kontinent assozieren, beschreibt er aber nicht nur die Schattenseiten und Problemzonen dieses Kontinents, sondern auch die vielen persönlichen Erfahrungen, die er auf seinen Reisen quer durch die Länder machen durfte: die unbeschreibliche Gastfreundschaft (vgl. Seite 406: "Wäre sie in Europa ein Mäuslein, so nähme sie in Afrika die Größe eines Elefanten an"), das solidarische Handeln der Menschen, ihr Verhältnis zur Zeit oder auch die ungeheure Kraft der Vergebung, die verhinderte, dass es nach dem furchtbaren Biafra-Krieg in Nigeria zu keinerlei Racheakten gegen die aufständigen Ibos kam oder dass die Wahrheitskommission in Südafrika mit dem Aufdecken und Benennen der Verbrechen der Apartheid ein Modell der Versöhnung stiftete.

Kommentar

Grills Buch ist spannend zu lesen und zugleich deprimierend. Auf rund 400 Seiten schildert er seine Begegnungen und Erfahrungen in einer Art und Weise, dass man zeitweise glaubt, selbst dabei gewesen zu sein. Gleichzeitig verstärkt es oftmals die (Vor-)Urteile (?), dass Afrika noch einen gewaltigen Weg vor sich hat, weil auch nach dem Ende des Kolonialismus die schwarzen Regierungen, die die Kolonialmächte abgelöst haben, um nichts besser sind als ihre Vorgänger, sondern oftmals noch funktionierende Gesellschaften in kürzester Zeit "in den Graben" gefahren wurden. Wohltuend ist die Sachkenntnis des Autors, durch die man an der Entwicklung der letzten Jahre und Jahrzehnte teilhaben kann. Am Beispiel von Ruanda zeigt er selbstkritisch auf, wie er und seine Journalistenkollegen sich in der Einschätzung der Entwicklung irrten und sie als Stammesfehde verharmlosten. Im März 1994 unmittelbar vor dem Beginn des großen Genozids zählte die Bevölkerung Ruandas 7,8 Millionen Menschen, im November 1994 waren es nur mehr 5,7 Millionen. Dabei wurde generalstabsmäßig vorgegangen und zeitweise wurden bis zu fünf Menschen pro Minute umgebracht. Das "G-Wort" (G steht für Genozid) wurde aber weder in den offiziellen Berichten der Vereinten Nationen noch in denen der europäischen Staaten verwendet – es hätte zum sofortigen internationalen Eingreifen führen müssen. So kam es dazu, dass Kofi Annan, der damals für die internationalen Friedenseinsätze der Vereinten Nationen zuständig war, eine der "schändlichsten Entscheidungen in der Geschichte der Vereinten Nationen" (Zitat Grill) traf und am 21. April 1994, dem Höhepunkt des Massenmordes die UNO-Blauhelme bis auf 270 Mann aus Ruanda abzog.

Das Buch ist für alle, die einen Eindruck von der Entwicklung Afrikas in den letzten Jahrzehnten bekommen wollen, ein absolutes Muss. Auch wenn die Beschreibung der deprimierenden Realität überwiegt, so nehmen doch auch die Berichte von der Lebensfreude, Fröhlichkeit und Kultur der Menschen einen wichtigen Platz ein!

Links:

 

Additional information